Zustand des Gewerbes in Steglitz-Zehlendorf
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf April 2025
Der Bezirk ist ein wirtschaftsfreundlicher und forschungsnaher Gewerbe- und Unternehmensstandort im Südwesten von Berlin. Es bestehen zahlreiche Kooperationen mit der Freien Universität und weiteren Forschungsinstituten. Darüber hinaus entsteht das Gründungs- und Technologiezentrum FUBIC und zahlreiche Familien- und Traditionsunternehmen haben hier ihren Sitz. Aber wie steht es insgesamt mit dem Gewerbe im Bezirk? Nachfolgend nehmen die Fraktionen und die fraktionslosen Bezirksverordneten in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf zu diesem Thema Stellung.
René Rögner-Francke, Bezirksverordnetenvorsteher
CDU-Fraktion
Der gesamte Mittelstand in Steglitz-Zehlendorf steht vor erheblichen Problemen. Es fehlt an qualifizierten Auszubildenden, Fachkräften und eine Nachfolgeregelung ist in vielen Unternehmen nicht in Sicht. Das bedeutet den Wegfall von Unternehmen, Arbeitsplätzen und den Verlust von Wissenstransfer in die nächste Generation.
Was brauchen wir? Ein Schulsystem, dessen Absolventen nach dem Schulabschluss ausbildungsfähig in Ausbildung oder Studium starten können. Wir brauchen neben bezahlbaren und gesicherten Gewerbeflächen, weniger Bürokratie, die Abschaffung von unproduktiven Zeitdieben wie von unverhältnismäßigen Berichts- und Dokumentationspflichten und eine schlanke digitale Verwaltung. Darüber hinaus müssen die Sozialversicherungssysteme durch generationsgerechte Reformen finanziert werden, um langfristige Stabilität zu gewährleisten, die derzeitige Belastung ist für die Unternehmen zu hoch. Was spricht dagegen, wenn jemand auch mit 65+ am Arbeitsleben weiterhin teilnehmen will? Nur eine mittelstandsfreundliche Politik bietet die Basis und Stützung für eine langfristig erfolgreiche Wirtschaft in Steglitz-Zehlendorf.
Beate Roll
B‘90/Grünen-Fraktion
Wir haben im Bezirk zahlreiche Einzelhändler – ein wahrer Schatz für Steglitz-Zehlendorf! Um sie zu unterstützen, bemühen wir uns um eine bessere Aufenthaltsqualität in den Zentren – angefangen mit dem Umbau des Hermann-Ehlers-Platzes zum Wohnzimmer der Schloßstraße. Gastronomie, Kultur und Shopping werden kleine und große Zentren wieder attraktiver machen. Zur wichtigen Kooperation der Gewerbetreibenden trägt das von unserer Bürgermeisterin Maren Schellenberg initiierte Vernetzungstreffen für den Großraum Schloßstraße im April bei. Und es gibt im Bezirk zahlreiche erfolgreiche Gewebebetriebe, teilweise seit Generationen, häufig international und mit einzigartigen Produkten. Diese Betriebe müssen weiter unterstützt werden. Zur Ansiedlung weiteren Gewerbes sollen neue Flächen erschlossen werden, etwa um den Lichterfelder Ring. Der Gewerbehof im ehemaligen Klavierwerk an der Haynauer Straße ist ein gutes Beispiel, was gemeinsam bewegt werden kann – hier haben sich unterschiedliche Gewerbe zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen, die bezahlbare Mieten garantiert. So hat auch das Handwerk in Steglitz-Zehlendorf eine Zukunft.
Ulrike Kipf
SPD-Fraktion
Das Gewerbe in Steglitz-Zehlendorf braucht Unterstützung von der Politik. Es gibt mehrere Zentren und Einkaufsstraßen mit verschiedenen Filialketten als Ankermieter. Diese helfen jedoch nicht, z. B. eine Schlossstraße auf Kurs zu halten. In den Kiezen gibt es noch familiengeführte Läden, die oftmals den Charme für den Kiez ausmachen. Die stehen noch stärker unter Druck, da die Generationsübergabe schwierig ist, die Gewerbemieten zu hoch sind oder die Menschen nicht mehr in den Läden einkaufen. Das online Einkaufen ist für die Bürger:in bequem. Der Leerstand von Läden führt dazu, dass Kieze verwahrlosen, die Aufenthaltsqualität sinkt und daher gemieden werden. Das muss gestoppt werden! Die Politik kann eine Steuerungsfunktion übernehmen und Unterstützung anbieten. Die bezirkliche Wirtschaftsförderung oder das Quartiersmanagement haben in den letzten Jahren schon in Zusammenarbeit mit den Bürger:innen vor Ort einige Kieze stabilisieren, weiterentwickeln und wiederbeleben können. Hilfreich wäre auch eine Deckelung von Gewerbemieten.
Die SPD steht hier durch entsprechende Initiativen in der BVV unterstützend zur Seite.
Norbert Buchta
FDP-Fraktion
Ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor waren einst Berlins Kanäle. So wuchs auch das heute mit ca. 77 ha und 170 Firmen größte Gewerbegebiet Steglitz-Zehlendorfs an Goerzallee und Zehlendorfer Stichkanal. Nun soll Altbewährtes „grünem Wildwuchs“ weichen, der sich nach 1945 im Gewerbegebiet ausgebreitet hat, während Betriebe im Bezirk händeringend nach Standorten suchen, um zu wachsen. Berlin entgehen dadurch Einnahmen über die Gewerbesteuer, da mehr und mehr Betriebe ins Umland abwandern, wo sie bessere Bedingungen vorfinden. So auch eine Installationsfirma, die in der Vergangenheit für ihr Engagement für Azubis prämiert wurde. Teilnehmer der dualen Ausbildung pendeln nun zwischen Stadtgebiet und Umland oder ziehen ganz aus Berlin weg. Verbraucher finden im direkten Umfeld kaum noch Dienstleister und die Firmen haben aufgrund der gegenwärtigen Verkehrsinfrastruktur immer zeitintensivere, weitere Wege zu ihren Berliner Kunden. Wir Freie Demokraten (FDP) setzen uns für den Erhalt der vier ausgewiesenen Gewerbeflächen im Bezirk ein und plädieren dafür, beim Tanklager Lankwitz Handwerk und Einzelhandel mitzudenken.
Mathia Specht-Habbel
AfD
Das Gewerbe in Steglitz-Zehlendorf ist so vielfältig wie der Bezirk. Das ist der Produktionsbetrieb mit internationalen Handelsbeziehungen ebenso wie die Dönerbude oder die alteingesessene Stammkneipe. Die Probleme sind fast überall dieselben: hohe Steuern und Abgaben; Normen wie die Datenschutzgrundverordnung oder das Geldwäschegesetz, die zu einem aberwitzigen bürokratischen Mehraufwand führen; Mangel an qualifiziertem Personal und auch die Ratlosigkeit angesichts der Frage, wer mal den Betrieb weiterführen soll, denn oft will die nächste Generation nicht 12 bis 14 Stunden im Laden stehen und abends noch die Buchführung machen. Wenn dann noch eine jahrelange Dauerbaustelle wie z.B. am Hindenburgdamm dazukommt, dann gibt der eine oder andere auf. Was kann der Bezirk tun? Baustellen müssen schneller fertig werden. Problemen wie Vermüllung und Verwahrlosung muss konsequent angegangen werden. Das Gewerbeamt könnte es bei Kontrollen bei Kleinigkeiten bei einer Ermahnung belassen, statt gleich ein Bußgeld zu verhängen. Was können Sie tun? Kaufen Sie lokal. Das nächste Buch im Buchladen um die Ecke statt bei Amazon.
Peer Lars Döhnert
Die Linke
Gewerbetreibende in Steglitz-Zehlendorf – insbesondere der stationäre Einzelhandel – erleben durchwachsene Zeiten. Viele Menschen sind aufgrund der Wirtschafts- und Weltpolitik verunsichert und halten sich mit Konsumausgaben zurück bzw. greifen zu Onlineangeboten. Andere Probleme entstehen, weil die Politik sich nicht ausreichend kümmert. So ist zum Beispiel der Hindenburgdamm seit 1,5 Jahren eine Dauerbaustelle. Konkrete Hilfsmaßnahmen bleiben aus. Die Linke fordert immer wieder ein besseres Baustellenmanagement (insbesondere gute Überwege für Fußgänger*innen – also die Laufkundschaft der über 70 Gewerbetreibenden), Kurzzeitparkplätze und Lieferzonen in den Nebenstraßen, ein Standortmanagement, das die langfristige Entwicklung der Straße in den Blick nimmt und eine verbesserte Straßenreinigung. Dies sind alles Maßnahmen, die den politischen Willen vorausgesetzt, zügig umgesetzt werden könnten. Bisher ist wenig passiert und es drängt sich der Eindruck auf, dass die inhaber*innengeführten Läden am Hindenburgdamm einfach nicht den Einfluss auf die Politik haben, wie beispielsweise die internationalen Ketten in der Schloßstraße.
Dennis Egginger-Gonzalez