Gazette Verbrauchermagazin

Von den Rieselfeldern zum Versuchsklärwerk

Die Geschichte der Kanalisation in Wilmersdorf

Erschienen in Gazette Wilmersdorf Februar 2019
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Guthmann & Guthmann
In Berlin gibt es 500 Gullydeckel mit Motiven der Hauptstadt. Dieser liegt an der Berkaer Straße in Schmargendorf.
In Berlin gibt es 500 Gullydeckel mit Motiven der Hauptstadt. Dieser liegt an der Berkaer Straße in Schmargendorf.

Die „Wilmersdorfer Blätter“ schrieben im Jahr 1907: „Als die Gemeinde Wilmersdorf sich anschickte, in die Reihe derjenigen Vororte von Berlin einzutreten, welche ihre Abwässer selbständig beseitigen und reinigen, erging es ihr wie dem Poeten bei Erschaffung der Welt: Die Welt war weggegeben, d. h. in einigermaßen annehmbarer Entfernung von Wilmersdorf war geeignetes und genügend großes Rieselland nicht mehr zu haben. Auf wiederholte Insertionen liefen überhaupt nur zwei Angebote für Rieselfelder ein, die beide wegen ungenügender Größe und Mangel an Erweiterungsfähigkeit abgelehnt werden mussten. Dagegen war die Anzahl der angebotenen kleineren Komplexe, die zu Kläranlagen ausreichten, mit 42 Angeboten über Erwarten groß.“

Klärwerk als Devisenbringer

So reiften im Rathaus von Wilmersdorf die Pläne für eine Kläranlage mit biologischen Tropfkörper, die im fernen Stahnsdorf errichtet werden sollte. Der Weg, den die Kanalisation dorthin nehmen sollte, führte jedoch über das Gebiet von Schmargendorf, Zehlendorf und Teltow, deren Abwässer im Zuge des Neubaus der Kanalisation ebenfalls in Richtung Stahnsdorf flossen. Die für damalige Zeiten hochmoderne Anlage wurde am 1. September 1906 feierlich eröffnet. Zwischen 1914 und 1917 musste die Anlage auf die doppelte Größe ausgebaut werden. Doch 1923 war Schluss mit dem Betrieb. Die Inflation kam und die Kläranlage wurde abgebaut.

Zeitweise wurden die Abwässer ungereinigt auf die Rieselfelder geleitet. Das änderte sich, als 1931 in Stahnsdorf das damals größte Klärwerk Europas in Betrieb genommen wurde. Es war als Versuchsklärwerk geplant, mit dem Erfahrungen für den Bau weiterer Großklärwerke gesammelt werden sollten. Hier wurden unterschiedliche Technologien erprobt. Ein Teil des Wassers wurde biologisch gereinigt, der Rest lediglich vorgereinigt und anschließend auf die Rieselfelder geleitet. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg – das Klärwerk gehörte nun zur DDR – wurde Zehlendorfer Abwasser in Stahnsdorf gegen Devisen gereinigt. Bis heute ist das Klärwerk in Betrieb und reinigt unter anderem die Abwässer aus dem Berliner Süden.

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