Erschienen in Lichterfelde West Journal Oktober/November 2017
Auf 35 Jahre erfolgreiche Kulturarbeit blicken in diesen Tagen in Lichterfelde nicht nur die organisierende Kulturgruppe und die Evangelische Kirchengemeinde Petrus-Giesensdorf in der Petruskirche am Oberhofer Platz 2, sondern auch das Stammpublikum zurück. Zu unterschiedlichsten Musikveranstaltungen von Blues bis Jazz über Chanson, Folk und Klezmermusik finden sich regelmäßig auf der überschaubaren Bühne der „Winterkirche“, dem eigentlichen Kirchenvorraum, nicht nur Besucher aus Steglitz-Zehlendorf ein, um das qualitativ hochwertige Kulturangebot einer „offenen Kirche“ zu zivilen Eintrittspreisen zu genießen. Aus ganz Berlin kommen die Besucher allmonatlich nach Lichterfelde, um „ihre“ Jazz-Band oder den angesagten Songwriter zu hören. Und das in unmittelbarer Nähe zum Künstler, was „Kunst zum Anfassen“ suggeriert.
Außerhalb dieses besonderen Kulturprogrammes finden – von Kantor und Kirche organisiert – die kirchenmusikalischen Vorträge statt.
In diesem Oktober ist das Programm, das stets sehr breit angelegt ist, u. a. mit der Ausstellung „LUTHER/BILDER“ des Künstlers Harald Birck von der Kulturgruppe behutsam dem Thema „Reformationsjubiläum“ angepasst worden. Anhand von Plastiken und graphischen Arbeiten, angereichert mit Texten, vermittelt da der Künstler vom 1.-31. Oktober 2017 Wissenswertes wie Vergnügliches und Hochpolitisches rund um Martin Luther und sein Wirken. Die Ausstellung ist mittwochs und samstags von 10 bis 13 Uhr sowie vor und nach allen Kulturveranstaltungen der Petruskirche geöffnet.
Am 14. Oktober um 19 Uhr lässt Pianist/Komponist Stephan Graf von Bothmer dann den restaurierten Film „Luther“ aus dem Jahr 1927 aufleben, indem er mit seiner improvisierten Musik an der Orgel die Stimmungen und die Dramatik des Films nachzeichnet. Vorab kann sich der Besucher beim „Luther-Imbiss“ mit Kürbissuppe und Schmalzbrot stärken, hinterher erwarten ihn gute Gespräche, Eintritt 14,- Euro.
Und am 21. Oktober um 20 Uhr präsentiert „Die Cöllner Company“ mit Klängen der Reformation die Musik der Zeit von Martin Luther auf wechselnden historischen Blasinstrumenten, kontrast- und klangfarbenreich, Eintritt 12,- Euro.
Anfang der 80er-Jahre war die Idee für das Kulturangebot in der Kirche am Oberhofer Platz aus finanzieller Not geboren worden. Es galt damals, den zur Verfügung stehenden Raum der wegen hoher Unterhaltungskosten gefährdeten großen Kirche rentabler zu nutzen.
Eine Begegnungsstätte für Bürger und ein Ort mit breitem Kulturangebot sollte entstehen, doch dazu bedurfte es zuerst umfangreicher Umbauten: Die „Winterkirche“ entstand durch die Abtrennung des Kirchenvorraumes. Im Kirchenschiff hielten ein transportabler Altar, Bilderschienen und Galeriebeleuchtung Einzug. Weil ein Teil des Pfarrgartens verkauft wurde und großzügige Spenden eingingen, konnten schließlich die Einbauten der sanitären Einrichtungen und der Notausgänge finanziert werden.
Im Jahr 1982 bildete sich die Kulturgruppe aus überwiegend ehrenamtlich Engagierten, die mit ihrem Kunstbeirat erstmals die alle sechs Wochen wechselnden Ausstellungen moderner Kunst aussuchte und betreute.
Seit Beginn der Kulturveranstaltungen ist Gisela Kürschner mit viel Elan und Engagement dabei und inzwischen Kopf der rund zehnköpfigen Kulturgruppe. Dank ihres überwiegend ehrenamtlichen Einsatzes und dem des Teams ist die „Kultur in der Petruskirche“ zu dem geworden, was sie heute ist: Ein ganz besonderer Begegnungsort mit ansprechendem Kulturangebot jenseits innerstädtischer Szenebezirke und dabei ohne Grenzen zwischen Vortragendem und Publikum.
Nach und nach wurde das Musikangebot breiter, und ein zuerst gut angenommenes Kinderprogramm kam hinzu, das später jedoch eingestellt werden musste. Daran denkt Gisela Kürschner mit Wehmut: „Kleine Besucher wurden mit der Zeit weniger, und es fehlte zunehmend an freiwilligen Helfern für die Kinderveranstaltungen, die für uns alleine dann kaum noch zu stemmen waren. Denn beim Kindertheater gibt es immer viel umzubauen.“ Als Grund für das nachlassende Interesse kann der in den letzten Jahren rapide Anstieg von Personaleinsparungen im Erziehungsbereich gesehen werden sowie die vermehrte Berufstätigkeit beider Elternteile.
„Es gibt ja dadurch kaum noch Mütter und Väter, die die Zeit finden, in der Woche bei Veranstaltungen ihrer Kinder zu helfen“, erklärt Gisela Kürschner, die selbst den Bereich Kinderprogramm gerne wiederbelebt sähe.
Doch umso stärker entwickelte sich der Erfolg der Musikveranstaltungen. Über die Jahre haben sich da die Bereiche Jazz, Blues und Folk zum Publikumsrenner entwickelt, die inzwischen viele Stammgäste hervorgebracht haben. Die alljährlichen Jazz- und Blues-Tage im März werden nicht nur von ihnen mit Spannung erwartet. Die „Winterkirche“ ist dafür genau der richtige Ort. Etwa 60 Besucher haben hier freie Platzwahl, und 160 Personen, wenn bei erhöhtem Andrang die Glastüren zur Kirche geöffnet werden. Am Tresen erwarten kleiner Imbiss und Getränke die Gäste, die sich hier zum Plausch auch nach den Veranstaltungen gerne zusammenfinden.
Zusätzlich lädt jeden Mittwoch- und Samstagvormittag der Cafébetrieb zur „offenen Kirche“, der beliebt und gut besucht ist.
Im eingespielten Team um Gisela Kürschner hat jeder seinen Einsatzbereich, den er mit viel Liebe zu Mensch, Kultur und Kirche betreut – sei es die Abendkasse, den Imbiss, Buchhaltung, Einkauf, Cafébetrieb oder die Programmplanung, die mindestens ein halbes Jahr im Voraus steht. Monatlich werden ca. 2000 Programme gedruckt, die in der Kirche ausliegen und an etwa 400 Interessierte verschickt werden. Das umfangreiche Netzwerk um Gisela Kürschner hält ein breites Künstlerangebot bereit, aus dem dann einige Vertreter der Weg in die Petruskirche führt. Jährlich ca. 90 Veranstaltungen umfasst das Kulturprogramm.
An den wöchentlichen Treffen der Kulturengagierten nimmt regelmäßig Pfarrer Roland Wicher teil, der auch sonst mit viel Interesse den Kulturbereich unterstützt.
Unverzichtbare finanzielle Unterstützung kommt aus Reihen des Förderkreises, der aktuell 26 Mitglieder zählt und sich über neue Mitstreiter freut. Die Kulturfreunde haben sich auf die Fahne geschrieben, mit ihren Spenden die Kultur in der Petrus-Giesensdorfer Kirchengemeinde – und damit in Lichterfelde – zu fördern. Als wichtige Sponsoren der Kulturarbeit stehen sie hinter Gisela Kürschner und ihrem Team, auf deren Schultern die zuverlässige Organisation und Betreuung der Kulturveranstaltungen ruht.
Dass die Kulturgruppe diese Aufgabe auch die kommenden Jahre nicht als Last, sondern mit Lust weiter trägt, wünschen sich viele Kulturbegeisterte weit über Lichterfelde hinaus, die „Kultur in der Petruskirche“ nicht mehr missen möchten.
Kartenvorverkauf für alle Veranstaltungen von „Kultur in der Petruskirche“ im Musikhaus Lichterfelde am Kranoldplatz, bei Torrefazione am Oberhofer Weg 4, in der Petruskirche Mittwoch und Samstag von 10-13 Uhr sowie vor und nach allen Musikveranstaltungen. Information und Vorbestellung unter Telefon: 030 773 28 452 oder E-Mail: info@petrus-kultur.de
Programm unter www.petrus-kultur.de
Jacqueline Lorenz
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