Erschienen in Gazette Zehlendorf Oktober 2017
Mit einer Uraufführung von Alexandre Dumas´ neubearbeiteter „Kameliendame“, die Ulrich Hub ins 20. Jahrhundert versetzt hat, startete das Sprechtheater an der Steglitzer Schloßstraße in seine neue Spielzeit 2017/18.
Die Geschichte der sich prostituierenden, doch unverdorbenen, schwindsüchtigen Kurtisane, die – in Rücksicht auf ihre große Liebe Armand – diesem entsagt, klingt so manchem in den Ohren: Ariengeladen lassen Traditions-Opern wie „La Traviata“ und „Manon Lescaut“ das Drama ins Herz des Zuhörers klingen, da Klänge bekanntlich viel mehr zu erreichen vermögen als Worte allein. Und so hilft die von Henrik Kairies eigens für das Stück am Schlosspark Theater komponierte Musik neben der behutsamen Regie Philip Tiedemanns dabei, sich von Anfang an in die tragisch endende Liebesgeschichte zwischen der Prostituierten und dem Sohn „besserer“ Gesellschaft hineinfinden zu können, ohne dem Operngeschehen nachtrauern zu müssen.
Mit wohlgewählter Textpräzision schafft Ulrich Hub eine „Kameliendame“, die aller Schmalzhaftigkeit enthoben ist. Anouschka Renzi in der Rolle der Lebedame, die laut Aussage von Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts blass, schwarzhaarig mit roten Lippen und von porzellanähnlicher Zartheit gewesen sein soll, stellt sich mit durchtrainierten Modelmaßen stolz ihrer schauspielerischen Aufgabe und lässt nur selten die Zerbrechlichkeit einer totkranken, äußerste gefühlvollen, der Oberflächlichkeit verrufenen Frau durchscheinen. Dabei wirkt sie mimisch in weiten Teilen maskenhaft wächsern und kann sich so, obgleich schauspielerisch routiniert, nur langsam in die Herzen des Publikums spielen. Erst gegen Ende des Stückes und ihres Rollenlebens als Kameliendame Marguerite Gautier gelingt ihr dies: da empfindet das Publikum dann doch tiefere Sympathie für die opferbereite, der Attraktivität, des Geldes und schließlich ihres Lebens beraubten Kurtisane, deren Vorbild für Dumas´ Roman die Prostituierte Marie Duplessis war. Als „wahre Verkörperung einer Frau“ empfand sie im Jahr 1845 Franz Liszt, der mit der bereits schwer tuberkulösen Kurtisane mehrere Monate unzertrennlich gewesen sein soll, – bis sie aus Trotz über seine Ablehnung, ihn auf seiner Konzerttournee begleiten zu dürfen, einen Grafen heiratete und wenig später starb.
An der Seite der einzigen Frauenrolle des Stückes sind Arne Stephan (Armand Duval), Fabian Stromberger (Arthur de Varville) und Oliver Nitsche (Gaston Rieu) überzeugende und in ihrer Aussagekraft bereichernde Bühnenpartner. Ihnen schauspielerisch voraus aber eilt Grandseigneur Joachim Bliese als verblendeter und erst zu spät zur Einsicht findender Vater Armands´s. Facettenreich und beinahe anrührend ist er es, der an diesem Abend den wahren Zugang zum Zuschauer findet und als besonderer Eindruck lange noch im Gedächtnis bleibt, nachdem der schuldbekennende Schlussakkord des überlebenden Herrenquartettes am Flügel verklungen ist.
Leicht wehende Vorhänge, die dem Publikum die Leichtigkeit der Liebe bis hin zur Flatterhaftigkeit vor Augen führen und vor der wahren, echten Liebe zurückgezogen werden, bestimmen das Bühnenbild; als Teil dieses Bildes, in unschuldiges Weiß und am Ende in Todesschwarz gehüllt, „Die Kameliendame“, aufrecht bis zum letzten Atemzug.
- Durchaus sehenswert in seiner Schlichtheit, und wieder einmal ein gutes Beispiel aus dem ebenso gelungenen wie vielfältigen Spielplanangebot des Schlosspark Theaters.
Die wichtige Bedeutung des Schlosspark Theaters für den Berliner Kulturbereich scheint aber noch immer nicht bis zu allen vorgedrungen: So erhält das Theater, dem Intendant Dieter Hallervorden nach wie vor mit viel Liebe, Leidenschaft und Finanzspritzen aus eigener Tasche voransteht, aus dem Kulturetat nur 300.000 Euro und damit „zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben“, wie der Hausherr nicht ohne Bitternis erklärt, angesichts anderer vergleichbarer Bühnen im Stadtzentrum, die mit weit höheren Summen unterstützt werden.
Dass die Kulturpolitik ihren Blick verstärkt auch auf den Berliner Südwesten und das Kleinod an der Schloßstraße lenken möge, hofft nicht nur der nimmermüde Dieter Hallervorden, der immer wieder attraktive Stücke in Frankreich entdeckt, ins Deutsche übersetzt und auf seine Bühne bringt, der besetzt und am Spielplan bastelt. Und nebenbei machte sich der Hausherr, dem „Betteltouren und Klinkenputzen“ eigentlich eher verhasst sind, Richtung kulturpolitische Sprecher der Fraktionen im Abgeordnetenhaus auf und schilderte ihnen die finanzielle Lage des Theaters, das durchschnittlich 100.000 Zuschauer pro Saison zählt.
Mit Prominenz und in eigener Person auf der Bühne sowie mit reizvollen Stücken will Dieter Hallervorden die Zuschauer auch in dieser Saison für sein Haus mit „Geist und Humor“ begeistern:
So wird in der nächsten Premiere am 14. Oktober 2017 das nur wenig bekannte Leben von Charlie Chaplin beleuchtet in dem von Dieter Hallervorden übersetzten Stück „Ein gewisser Charles Spencer Chaplin“ von Daniel Colas, mit Brigitte Grothum und Wolfgang Bahro.
Katharine Mehrling ist im September mit der Wiederaufnahme von „End oft the Rainbow“ ins Schlosspark Theater zurückgekehrt und wird im Frühjahr 2018 in „Die Wahrheit“ von Florian Zeller spielen.
Als eigentliches Traditionsmitglied des Berliner Ensembles findet Carmen-Maja Antoni („Krauses Glück“, „Mord mit Aussicht“) im Februar 2018 mit Bertolt Brechts „Kleinbürgerhochzeit“ den Weg auf die Bühne des Berliner Südwestens und schließt eine weitere Zusammenarbeit mit dem Steglitzer Traditionshaus nicht aus.
Ein besonderes Theaterhäppchen aber, das leicht im Magen liegt, dürfte im Dezember diesen Jahres „Mosca und Valpone“ von Stefan Zweig werden; bearbeitet von Haus-Regisseur und Erfolgsgarant Thomas Schendel und reizvoll besetzt mit u. a. Franzika Troegner und Dieter Hallervorden, der in dem Stück der Commedia dell´Arte als Diener eine Aufgabe erfüllt, die er von seinem Theater her nur zu gut kennt: Die, als erfolgreicher „Strippenzieher“ im Hintergrund zu wirken.
Und auch sonst hat die neue Spielsaison einiges zu bieten, vom YAS-Jugendtheater über Lesungen und Gastspiele bis hin zu „Ulli Zelles Nachtcafé“, in dem regelmäßig Schauspieler und Publikum bei heißem Sound der „Grauen Zellen“ und lockeren Ulli-Plaudereien zusammenkommen.
Wer weiß: Vielleicht findet ja der ein oder andere Kulturpolitiker in dieser Saison doch einmal den Weg in den Berliner Südwesten und stellt fest, dass es auch eine qualitativ hochwertige und unterstützungswürdige Theaterszene jenseits der Berliner Stadtmitte gibt.
Spielplan und weitere Informationen unter www.schlossparktheater.de , Kartentelefon Tel. 030/789 56 67-100.
Nächste Vorstellungen der „Kameliendame“ vom 24. bis 29. Oktober, vom 13. bis 17. November sowie vom 19. bis 23. und vom 26. bis 30. Dezember 2017 um jeweils 20 Uhr.
Jacqueline Lorenz
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