Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau November 2017
Bereits im Jahr 2002 bemalte die afrikanische Künstlerin für das „United-Buddy-Bears“-Projekt von Eva und Klaus Herlitz den Rohling eines zwei Meter großen Buddy-Bären. Er konnte stellvertretend für den afrikanischen Kontinent unter dem Namen „Eying“ = „das Leben“ als harmoniespendendes Symbol mit Motiven, die für den rituellen Initationstanz Gabuns stehen, und als ausgezeichnetes Kunstwerk in die Kette der weltweit für eine bessere Völkerverständigung werbenden Bären eingegliedert werden.
15 Jahre später steht die als Bildhauerin und Malerin weltweit anerkannte Künstlerin Michelle Nze, die sich als Diplomatin im Dienst von Kunst, Kultur und Völkerverständigung bezeichnet, nun vor einem weiteren Bären-Rohling, um ihm mit dem Pinsel Symbolkraft einzuhauchen. Unter dem Namen „Mvet“ wird das Kunstwerk im Buddy-Bär-Kreis dann ab dem 1. Dezember auf dem Charlottenburger Walter-Benjamin-Platz für ein freieres, friedlicheres und hoffnungsvolles Gabun stehen.
Der erste von Michelle gestaltete Bär könnte dann für UNICEF versteigert werden.
In der Schöneberger Souterrain-Werkstatt für Stuhlflechterei von Gerald Sanchez arbeitet die Künstlerin mit den gabunisch-kamerunischen Wurzeln im Atelier-Bereich an dem neuen Bären. Energie und Elan strahlt sie aus und erzählt temperamentvoll von ihrem künstlerischen Engagement, das helfen soll, die angespannten politischen Verhältnisse in Afrika zu verändern, hin zu Frieden und Selbstbestimmung.
Michelle erklärt: „Der Name des Bären steht für die Geschichte rund um die „Geburt von Mvet“, einem Saiteninstrument aus dem alten Ägypten, das auf den Bären-Körper gemalt ist als Symbol für die Aspekte der Fang-Kultur: für die Poesie, die Philosophie um den ewigen Zyklus von Mensch, Tod und Unsterblichkeit und die wissenschaftliche Erkenntnis der Welt. Mithilfe dieses Streichinstrumentes und seiner fabelhaften magischen Klänge – so die Geschichte – hat der Urahn der Fang-Ethnie die Menschen einst zurück zu Hoffnung und Glaube an die Zukunft geführt. Zuvor hatte er ihm Koma liegend von einem Obergeist die Anweisung zum Bau dieses Instrumentes erhalten und nach seinem Erwachen „Mvet“ geschaffen.“
Die Fang ist eine in Zentralafrika lebende ethnische Gruppe, die man in Äquatorialguinea, Gabun und Kamerun antrifft. Sie sprechen Fang, eine Sprache, die den Bantusprachen zugeordnet wird, und sind für ihre künstlerischen Schnitzereien und ihre Erzähltradition bekannt.
Schon als Kind fühlte sich Michelle zur Malerei hingezogen, ein Interesse, das bald zur Leidenschaft wurde. Nach der künstlerischen Grundausbildung in Niger und nach gesammelten Kunst-Erfahrungen in Afrika machte sie 1997 die Malerei zum Beruf. Da galt sie in Gabun bereits als anerkannte Künstlerin, auch auf dem Gebiet der Bildhauerei.
Nach Deutschland kam sie im Jahr 2000. „Ich sollte auf Einladung des gabunischen Wirtschaftsministeriums meine Heimat Gabun auf der EXPO 2000 in Hannover repräsentieren. Mit meiner ersten Einzelausstellung auf europäischem Boden konnte ich die Kunstszene auf mich aufmerksam machen“, erzählt Michelle, die stolz darauf ist, zudem den Nelson Mandela Preis des Nelson Mandela Childrens Fund erhalten zu haben.
Deutschland wurde zur Wahlheimat der Afrikanerin, die seit 2001 in Berlin lebt und hier künstlerisch arbeitet. Inzwischen ist sie zusätzlich als Sekretärin in der Konsulatsabteilung der Botschaft Togo tätig. „Ich arbeite dort in Pankow, lebe mit meinem Sohn in Spandau und male in Schöneberg“, erklärt sie, die sich selbst als Freigeist bezeichnet, ihre vielfältigen Aufgaben in der Hauptstadt. Wegen der politisch angespannten Lage ist sie schon länger nicht mehr in Gabun gewesen. „Mecki“ heißt ihr Sohn, was auf Fang so viel heißt wie „Blut des Lebens“. Und schon erzählt sie zur Bedeutung des Namens wieder eine dieser phantastischen und rituell begründeten Geschichten, die Afrika für uns so geheimnisvoll werden lassen: Sie erzählt von der Frau, die – weil sie sich nach der Hochzeit ihrem Ehemann gegenüber ungehörig verhalten hatte – von ihm zu ihren Eltern zurückgebracht worden war. Doch nach wenigen Tagen fehlte sie ihm und er holte sie mit dem dort üblichen Geschenk zurück: Einem Speer, der den Namen „Mecki – Blut des Lebens“ trägt.
Ein weites Künstler-Netzwerk besitzt Michelle inzwischen, arbeitet mit der Kettensäge und probiert schöpferisch immer neue Techniken und Materialien aus. Mit Acrylfarben arbeitet die professionelle Künstlerin am Buddy-Bär. Über den Grafiker und Maler Andrej Bitter hatte Michelle im Jahr 2001 das Ehepaar Herlitz kennengelernt. Nachdem die sich anhand von Wasserfarben-Skizzen von ihrem künstlerischen Know-how überzeugt hatten, gewann das Ehepaar sie für ihr weltweites Bären-Projekt.
Michelle Nze ist mit ihren Ausstellungen aus der europäischen Kunstszene und den namhaften Galerien nicht mehr wegzudenken. Aus ihrer Hand kam die Bühnengestaltung „Farafina“ auf dem 12. Karneval der Kulturen Berlin, sie stellte auf persönliche Einladung Dieter Hallervordens in den „Wühlmäusen“ aus und wurde bereits 1999 Direktorin des Vereins „Centre Africain des Artes et des Cultures (CAFAC) zur Förderung gabunischer Künstler.
Ihre Werke hängen in den Kunstsammlungen Kameruns und Gabuns sowie in Gabuns Präsidenten-Amtssitz und Parlament.
Bereits 2003 kaufte die Kunstkommission des Deutschen Bundestages eines ihrer Werke; eine besondere Würdigung, die der internationale Kunst- und Kulturbotschafterin Afrikas dank ihres konsequenten visionären Einsatzes als erste afrikanische Künstlerin überhaupt erfuhr.
Michelle Nze begeistert die Kunstkenner mit ihrem unverwechselbaren Stil, indem sie ihre afrikanische Kultur, Tradition und Spiritualität bewahrt, daneben aber auch ihre eigene Vision afrikanischer Moderne in ihre Arbeiten einfließen lässt, mal mit aggressiver Linienführung, dann wieder in sich ruhend. In ihren Bildern und Wand- und Standskulpturen schafft es die Kosmopolitin, ausstrahlungsreiche Verbindungen zwischen Diesseits und Jenseits herzustellen, denen der Zyklus aus Geburt, Leben und Tod zugrunde liegt.
Michelle Nze – eine engagierte Frau und Künstlerin, der als Brückenbauerin zwischen Kulturen zu wünschen ist, dass ihre Werke moderner Kunst mit Seele und Spiritualität endlich auch Hoffnung und Frieden in ihre afrikanische Heimat bringen.
Jacqueline Lorenz
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