Erschienen in Wannsee Journal Dezember/Januar 2017
Das Arndt-Gymnasium Dahlem, an dem seit über 100 Jahren der Kultur viel Raum gegeben wird, ist bekannt für sein breites Musik-Angebot, das nicht nur Schüler zu begeistern weiß.
Zu einem besonderen Highlight aber hat sich die hochkarätige United Big Band entwickelt, die jungen Musikerinnen und Musikern fortgeschrittener Leistungsstufen die Möglichkeit gibt, an der Seite Gleichgesinnter mit ihrem Instrument im Jazzbereich zu spielen und vor Publikum aufzutreten. Schüler unterschiedlicher Berliner Schulen kommen in dieser Bigband zusammen, der Kenner des Fachs wie Till Brönner oder Peter Riegelbauer immer wieder eine erstaunliche Professionalität bescheinigen. Dahinter steht seit rund 20 Jahren der Musikpädagoge, -didaktiker und Musiker Dr. Martin Burggaller.
An dem humanistischen Gymnasium in der Dahlemer Königin-Luise-Straße stehen den etwa 750 Schülern neben dem schulischen Musikunterricht drei Orchester, drei Bigbands und drei Chöre zur Auswahl, in die sie sich vom Barock bis zum Jazz ganz nach ihrem individuellen Musikgeschmack und Leistungsstand einbringen können.
Zahlreiche musikalische Partner stehen an der Seite das Arndt-Gymnasium, darunter die Komische Oper, die Universität der Künste Berlin sowie die Profi-Bigband JAZZKOLLEKTIV.
Die Bigbands sind in drei Gruppen eingeteilt und beginnen mit der Liftband für Einsteiger, in der auch Grundschüler bereits erste Band-Erfahrungen sammeln können. Jeder von ihnen kann sich über neun aufbauende Orchester-Grades, in denen vorgespielt und der aktuelle Leistungsstand ermittelt wird, für das nächsthöhere Orchester profilieren.
Der Liftband folgt die major7bigband, die als Mittelstufenband Wettbewerbs- und Auftrittserfahrungen sammelt und über ein breites Repertoire verfügt. In der United Big Band schließlich treffen geeignete Oberschüler/innen verschiedener Schulen zusammen, die von ihrem musikalischen Können her in den höheren Leistungsklassen einzustufen sind. Für die Teilnahme in der United Big Band (UBB) ist Grade 7 erforderlich. Auf bundesweite Wettbewerberfolge und anspruchsvolle Auftritte mit Jazz-Größen wie Keisuke Matsuno oder Till Brönner kann die Bigband zurückblicken, aus deren Mitte Musiker-Formationen vom Duo bis Oktett als „United Swingtett“ je nach Anlass auftreten. In diesem Jahr war einer der umjubelten United Big Band-Höhepunkte ihr Auftritt beim Fest des Bundespräsidenten vor dem Schloss Bellevue. Nicht weniger begeistert gaben sich einige Wochen zuvor die Zuschauer bei der Eröffnung der Steglitzer Woche im Rathaus Zehlendorf, wo der Schwung der UBB sogar manchem Musikmuffel in die Beine fuhr.
Wer am Montagabend das Arndt-Gymnasium betritt, den empfangen hinter den altehrwürdigen Gymnasialmauern flotter Swing-Rhythmus und heiße Jazz-Klänge der United Big Band aus der Aula: It´s band rehearsal!
Lässig gibt Martin Burggaller den Takt an, stellt dazwischen Wissensfragen zum aktuellen Stück und verrät den Oberstufenschülern beiläufig: „Das Schlagzeug steuert die Lautstärke!“ Dass ihm die Probenarbeit mindestens genauso viel Freude macht wie den jungen Musiker/innen der 10. bis 12. Klassen, darin besteht kein Zweifel und beweisen die Erfolge der von ihm betreuten Musikprojekte und Ensemble der vergangenen Jahre. Für sein besonderes Engagement in der musikalischen Bildung erhielt der promovierte Musikdidaktiker 2012 das Bundesverdienstkreuz. Nach dem Studium arbeitet er, der Klavier, Saxophon und Trompete spielt, als freiberuflicher Musiker, bis er als Musiklehrer seine eigentliche berufliche Erfüllung fand.
Aus dem Arndt- und dem Lilienthal-Gymnasium, aus der Sophie-Scholl- und der Steiner Schule sind sie an diesem Proben-Abend als Mitglieder des UBB zusammengekommen – sowie aus dem Goethe-Gymnasium, das ein ähnliches Ensemble-System hat. Mit der United Big Band unterhält das Wilmersdorfer Gymnasium eine Musik-Kooperation, und beide spielen gemeinsam u. a. in „Goethes Jazz-Night“. Im Januar geht es dann wieder auf gemeinsame Probenfahrt nach Wernigerode. Als Referendar am Goethe-Gymnasium hatte Burggaller vor Jahren mit dazu beigetragen, das dortige Musikangebot zeitgemäß auszubauen.
Durch die Aula hallen an diesem Abend Titel wie „Libertango“ und „Get in the Line“. „Habt Ihr alle die Noten? Marek, spielst Du das Solo?“ Burggaller klingt freundlich, aber bestimmt. Wer öfter zu spät kommt oder den Eindruck erweckt, die Band als eher unwichtige Nebensache zu sehen, muss gehen. Doch das kommt nur selten vor. Vielmehr ist die Freude an der Musik hier jedem anzumerken. Die jungen Musiker respektieren Burggallers zielgerichtete Arbeitsweise und seine klaren Anweisungen, schätzen aber auch, dass sie Mitspracherecht haben, beispielsweise bei der Stück-Auswahl. Hier hat Musik den gleichen Stellenwert wie Mathematik oder Latein.
Um die Leistungen der einzelnen UBB-Mitglieder nachhaltig zu verbessern, finden neben der Probe für die gesamte 25-köpfige Band regelmäßige intensive Übungsstunden statt, abgestimmt auf Rhythmusgruppe, Trompeten und Saxophone und angeleitet von Berufsmusikern.
Erschwerend ist jedoch, dass den Oberschülern bis zum Abitur im 12. Schuljahr durch die Verkürzung der Schulzeit um ein Jahr nur noch zwei Jahre bleiben, in denen sie sich in der United Big Band etablieren können.
„Gerade, wenn die Band richtig zueinander gefunden hat, scheiden schon wieder Mitglieder mit dem Abitur aus, und die Eingliederung der Nachfolger aus den 10. Klassen beginnt. Wir befinden uns gerade wieder einmal in solch einer Umbruchphase“, erklärt Burggaller, der derartige Fluktuations-Probleme zu Zeiten von 13 Schuljahren weniger kannte. So bedarf es nun verstärkter Energie aller Beteiligten, das hohe Niveau der angesagten Schüler-Bigband zu halten, die immerhin über ein Repertoire von 120 Titeln verfügt. Derzeit singen sich zwei neue Sänger in die Jazz-Band ein, da ihre Vorgänger Abi-bedingt ausgeschieden sind.
Am Schlagzeug sitzt die 17-jährige Lena vom Arndt-Gymnasium; eher eine Ausnahme, da sie das Abi bereits in der Tasche hat. „Aber weil Simon, der meinen Platz übernehmen wird, sich gerade in die Band einspielt, spiele ich noch mit“, erzählt sie. Simon sei als Achtklässler schon sehr jung in der United Big Band angekommen, gerade bei den Schlagzeugen gäbe es aber häufiger Aussteiger. Lena will beruflich vielleicht auch etwas mit Musik machen, „aber nicht Schlagzeug studieren.“ Da seien die beruflichen Chancen zu unsicher. 2009 hat sie mit dem Spielen begonnen, wollte wegen des reizvollen Musikangebotes auf´s Arndt. Jetzt hat sie noch mit Klavier angefangen, „weil beim Schlagzeug doch die Melodie fehlt, um sich besser ausdrücken zu können.“ Sie hofft, in einer der Berliner Bigbands spielen zu können, im „Jazzorchester Kreuzberg“ von Christian Fischer oder im „Jay Jay Be Ce –Jazzorchester“ der City West.
Auch die 17-jährige Felicitas an der Trompete wollte in erster Linie wegen der Musik aufs Arndt-Gymnasium, die regelmäßigen Konzertauftritte reizten sie. Seit Sommer 2015 spielt sie in der Bigband, kam als Quereinsteigerin aus dem Orchester dazu. Mit den Leistungskursen Deutsch und Musik steht sie kurz vor dem Abitur. Doch auch sie glaubt, dass die Trompete wohl Hobby bleiben wird.
Und so wird auch sie sich bald von der United Big Band verabschieden müssen, während ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin sich schon auf ihr „Grade“ vorbereiten, um einen Platz in der begehrten Bigband zu bekommen.
Jazz-Freunde und UBB-Fans sollten sich bereits heute zwei Termine vormerken: Die diesjährige Jazz-Night am Wilmersdorfer Goethe-Gymnasium am 24. November 2017 und die Jazz-Night am Dahlemer Arndt-Gymnasium am 23. Februar 2018.
Näheres unter www.musik-am-agd.de
Übrigens: Auch Eltern können am Arndt-Gymnasium Jazz-musikalisch auf ihre Kosten kommen: als Mitglied der Bigband „Round Midlife“.
Darüber demnächst mehr…
Jacqueline Lorenz
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