Erschienen in Gazette Zehlendorf November 2017
Herbstlich feucht präsentierte sich der diesjährige Erntedank-Sonntag, doch bei den Gemeindemitgliedern der Evangelischen Kirche Nikolassee am Kirchweg ersetzten strahlende Gesichter die fehlende Sonne.
Pfarrer Steffen Reiche gab im Anschluss an seinen im wahrsten Sinne „doppelten“ Dank-Gottesdienst den nach einem Jahr Planungszeit frisch sanierten, oberhalb der Rehwiese in neuem Glanz liegenden Kirchen-Vorplatz mit seinen Wegen frei. Als beeindruckendes Ergebnis des gemeinsamen aktiven Wirkens von Gemeindekirchenrat, Gemeinde, Förderverein, Sponsoren und Bezirk.
Der nach altem Vorbild wiederhergestellte Vorplatz komplettiert das beeindruckende Denkmalensemble, das mit der auf sanftem Hügel 1910 erbauter Kirche Nikolassee, dem Gemeinde- und Pfarrhaus sowie dem Kirchhof „einen „harmonischen Dreiklang bildet“, wie Pfarrer Reiche über seine „Abtei“ zu sagen pflegt. In diesen Dreiklang waren im Laufe der vergangenen Jahre Misstöne geraten, ausgehend vom Vorplatz: Die Sicht zur Rehwiese war zugewachsen, eine Asphaltdecke störte die Natur und das von Grün umwucherte Kriegerdenkmal aus dem Jahr 1929, der „Heldendenkstein“, war kaum mehr zu erreichen.
Wenigstens das Denkmal sollte von seiner erdrückenden Last befreit werden, doch wie so oft bei Sanierungsprozessen zog dann das eine das andere nach sich: Das ganze Wegenetz wurde schließlich inklusiv Umfahrung überholt und nach alten (Vor)Bildern rekonstruiert. Die Gartenbaufirma rückte an, Büsche wurden beschnitten, Linden geköpft, um die Sichtbeziehung zur Rehwiese wieder herzustellen, und auch auf der andern Seite des Kirchweges, auf dem Kirchhof, agierte das Aufräumkommando: Vom Kapellendach wurden die Asbestschieferschindeln entfernt, und auch hier entstand eine belastbare Kiesauffahrt, zu der sich bald noch einige Bänke gesellen werden, sobald die Kapelle renoviert ist. Die Kirchhofwege sind nun wieder ohne Gummistiefel begehbar. Und als Pendant zu den das Kriegerdenkmal säumenden zwölf Rhododendren „die 12 Apostel“ recken vor der Friedhofskapelle nun weitere fünf von der Gemeinde gespendete Rosenbäume die Äste in die Höhe; voller Stolz, möchte man meinen, auf ihre heiligen Namengeberinnen Maria von Magdala, Perpetua und Felicitas, Hildegard von Bingen, Katharina von Bora und Mutter Theresa.
Grund zum Danksagen und zum Feiern des Gelungenen hatten sie dann alle, die, angeführt von ihrem Pfarrer Reiche, an diesem ganz besonderen Erntedank-Sonntag zusammengekommen waren zur Andacht in der Kirche und anschließenden Feier auf dem Balkon davor: Die privaten Sponsoren, der Förderverein und Vertreter der Stiftung Preußische Kultur, der Beck´schen Stiftung und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die insgesamt rund 70 Prozent der Sanierungskosten gespendet hatten.
Für den Bezirk, der die Sanierungs-Planung fachlich begleitet hatte, standen BVV-Mitglieder neben dem ehemaligen Bezirksbürgermeister, standen Gartenbau-Mitarbeiter neben Mitgliedern des Gemeindekirchenrates und der Gemeinde, um das vollendete Werk gebührend zu bewundern. Und auch der Vorsitzende des Kirchen-Fördervereins, der Nikolasseer Chronist und Projekt-Fürsprecher Henning Schröder, dem dieser liebenswerte Ortsteil im Berliner Südwesten so viel zu verdanken hat, ließ es sich nicht nehmen, die neuen Wege als einer der Ersten zu betreten.
In seinem Grußwort empfahl – mit Blick auf den preußischen Gartenkünstler Peter Joseph Lenné – der ehemalige Gartenbaudirektor vom Landesdenkmalamt Berlin, Dr. Klaus Krosigk, angesichts der wiedererlangten freien Sicht zur Rehwiese: „Auf dem Weg nach Glienicke und Potsdam lohnt es sich, auf halbem Weg am Ruhepol der Rehwiese Station zu machen. Die besondere 300-jährige Gartenkultur in und um Berlin ist sehens- und schützenswert.“ Dabei sei es ein stetes Ringen, Strukturen behutsam zu entfernen, um zugewachsene Dinge freizugeben.
Dieses Ringen hat die Gemeinde der Evangelischen Kirche Nikolassee „mit Gottes Hilfe“ und gemeinsamem Engagement gewonnen. Auch zukünftigen Aufgaben zur Wiederherstellung und Pflege ihres Kirchen-Umfeldes will sie sich geschlossen stellen.
„Denn“, weiß Pfarrer Reiche, „noch immer gibt es einiges zu tun in unserer Abtei.“
Jacqueline Lorenz
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