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„Adreß-Buch“ für Friedenau 1910

Exponat des Monats – vorgestellt vom Schul- und Stadtteilmuseum Friedenau

Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Januar 2018
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Einband Adreßbuch. Archiv FBS
Einband Adreßbuch. Archiv FBS

In einer Zeit, in der die Bahn das gedruckte Kursbuch abgeschafft hat und das Telefonbuch nur noch ein kümmerliches Nischendasein fristet, kann sich kaum noch ein Friedenauer vorstellen, dass es einmal ein gedrucktes „Adreß-Buch“ für Friedenau gegeben hat. Es erschien jährlich und enthielt eine Aufstellung aller „Haushaltsvorstände“ der Gemeinde, geordnet nach dem Alphabet und nach der genauen Adresse, sowie Beiträge über Geschichte und Verwaltung der Gemeinde.

Das „Schul- und Stadtteilmuseum Friedenau“ verwahrt in seinem Archiv „Adreß-Bücher“ der Jahre 1910 – 1912. Bei der Durchsicht der Originale entdeckt der Leser immer wieder Interessantes und Merkwürdiges.

Mit Erstaunen lesen wir über das Jahr 1909:

„Sehr bedeutend war auch die Bautätigkeit. Die Mainauerstraße ist voll ausgebaut worden; in der Fehlerstraße, Straße 12, sind nur noch wenige Baustellen frei. Der Südwestkorso ist bis zum Hamburger Platz vollständig bebaut, südlich des Hamburger Platzes hat die Bautätigkeit ebenfalls rege eingesetzt. Die Laubacherstraße, die die Westgrenze Friedenaus bildet, ist asphaltiert worden, gleichfalls die bis an die Laubacherstraße reichenden Querstraßen. Auch in diesen Straßen ist die Bautätigkeit lebhaft. Die Straßen im Süden Friedenaus sind ebenfalls nahezu bebaut und auch das ehemalige Möller’sche Grundstück an der Ring-, Saar- und Fregestraße hat prachtvolle Neubauten erhalten.“

„Im Schulwesen sind ebenfalls Fortschritte zu verzeichnen. Sehr gut entwickelt haben sich die Oeffentliche höhere Mädchenschule und das Realgymnasium und Realschule (Reformschule). Der monumentale Neubau für das Reformrealgymnasium an der Schwalbacherstraße wird zu Ostern 1910 bezogen.“

„Unser Realgymnasium und Realschule (Reformschule) wurde durch Schulrat Klatt revidiert, der seine höchste Befriedigung über den Befund der Schule ausdrückte.“

„In Friedenau wird der 3. (dritte!) Kriminalbeamte angestellt.“

„Die Straßenbahnlinie 66 wird versuchsweise vom Kaiserplatz bis zum Friedrich Wilhelmplatz verlängert.“

„Die Bevölkerung Friedenaus beträgt 26 494 Einwohner. Die in Friedenau vorgenommene Arbeitslosenzählung ergibt 30 Arbeitslose.“

Manche Mitteilungen würden wir uns für das heutige Berlin wünschen.

Auch die Berufsangabe der Haushaltsvorstände ist interessant: Während wir Berufe wie Arzt, Rechtsanwalt, Professor, Generalmajor, Baumeister und Güterdirektor erwarten, verwundert die häufige Nennung von Tätigkeiten einfacher Arbeiter, Handwerker und kleinerer Beamter. So wohnten in der Handjerystraße unter anderem Maurer, Rohrleger, Maler, Mechaniker, Schumacher, Tischler, Gärtner und ein Schmied. Die kleinen Beamten wurden durch Postsekretär, Straßenbahnschaffner und Weichensteller I. Klasse vertreten. Die „Postdirektor-Witwe“ lässt ein fundamental anderes Verständnis von der Rolle der Frau in der Gesellschaft erkennen.

Wer selbst einmal in einem historischen „Adreß-Buch“ blättern möchte, ist herzlich in das „Schul- und Stadtteilmuseum Friedenau“ eingeladen. Bitte vereinbaren Sie telefonisch einen Besuchstermin.

Friedrich-Bergius-Schule

Perelsplatz 6-9 in 12159 Berlin

Tel.: 90277 – 7910

E-Mail: sekretariat@fbs-schule.de

www.friedrich-bergius-schule.de

Auf Ihren Besuch freuen sich Michael Rudolph (Schulleiter AG) und Alexander Bauwe (AG „Junge Historiker“).

Titelbild

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