Erschienen in Nikolassee & Schlachtensee Journal Februar/März 2018
Der vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) in Berlin-Wannsee betriebene Experimentierreaktor BER II soll 2019 endgültig abgeschaltet und anschließend rückgebaut werden. Dazu ist eine langfristige Projektplanung notwendig. Bei der Berliner Senatsverwaltung wurde der Grundantrag auf Stilllegung und Abbau eingereicht.
Bereits in diesem frühen Planungs-Stadium wandte sich das HZB mit seinem kommissarisch wissenschaftlichen Geschäftsführer Prof. Dr. Bernd Rech, seinem kaufmännischen Geschäftsführer Thomas Frederking und seinem Reaktor-Leiter Dr. Stephan Welzel zum offenen Dialog an die Bevölkerung. Rund 120 Interessierte – überwiegend Anwohner aus Wannsee, Babelsberg und Potsdam sowie Reaktorkritiker – folgten am 21. November 2017 der per Hauswurfsendung übermittelten Einladung des HZB zur ersten Dialog-Auftaktveranstaltung in die Aula der Johannes-Tews-Grundschule, wo sie Informationspräsentation und lebhafte Diskussion erwarteten, sie aber auch die Möglichkeit bekamen, konkrete Ideen und Denkanstöße für einen geregelten Rückbau zu äußern. Der Altersdurchschnitt der problembewussten Anwesenden lag deutlich über 45.
Ziel dieser Veranstaltung war es, erste Schritte in Richtung Gründung einer Dialoggruppe zu gehen, die dann mit Vertretern aus Zivilgesellschaft, Kirche, Politik, Verbänden und Initiativen den Rückbau begleiten wird.
Das HZB tritt damit Kritik aus der Vergangenheit entgegen, die ihm mangelndes Kommunikations- und Informationsverhalten vorgeworfen hatte.
Resultierend aus der Auftaktveranstaltung ist für den 15. Januar 2018 ein erstes Treffen potentieller Dialoggruppen-Mitglieder angedacht, die vom HZB zukünftig als Begleitgruppe in den gesamten Verfahrensschritt „Umweltverträglichkeitsprüfung“
miteinbezogen werden sollen. Für das rückbauerforderliche Genehmigungsverfahren ist die Einbeziehung der interessierten Öffentlichkeit gesetzlich vorgesehen.
Als Vorbild für den auf lange Frist angelegten geplanten Dialogprozess dient ein Verfahren, das seit 2012 vom Helmholtz Zentrum Geesthacht für den Rückbau seiner kerntechnischen Anlagen etabliert werden konnte und Anwohner, Lokalpolitiker, aber auch Umweltverbände und regionale Anti-Atomgegner in den Dialogprozess miteinbezogen hat.
Bedauern bis hin zur Verärgerung äußerte ein Großteil der Veranstaltungsgäste am 21. November darüber, dass außer dem Potsdamer Stadtverordneten der Grünen, Uwe Fröhlich, und einer „Späherin“ der CDU jegliche Vertreter der Steglitz-Zehlendorfer Lokalpolitik, der BVV und des regionalen Wirtschaftsbereichs der Runde ferngeblieben waren.
Der Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs hingegen bekundete durch seinen Besuch am HZB Wannsee zwei Tage nach der Auftaktveranstaltung Interesse am geplanten Rückbau, sagte seine Unterstützung für die Zukunft zu und erklärte: „Der Forschungscampus des HZB liegt nur auf den ersten Blick an der Landesgrenze. Auf den zweiten Blick liegt er mitten zwischen den beiden Städten und verbindet deren Forschungsszenen wunderbar.“
Dass diese verbindende Position genutzt werden müsse, um neue gemeinsame Forschungsprojekte zwischen Berlin und Potsdam zum Nutzen aller ins Leben zu rufen, betonte auch Prof. Rech vom HZB.
In der Auftaktveranstaltung wurde in Wort und Bild der Forschungsreaktor BER II vorgestellt; mit seinen Aufgaben in Ausbildung, Grundlagen- und angewandter Forschung als Neutronenquelle im Einsatz für ein breites Spektrum wissenschaftlicher Untersuchungen – überwiegend auf dem Gebiet der Materialwissenschaften. Ebenso präsentierten die Verantwortlichen ein erstes Grob- und Entsorgungskonzept für den Rückbau des Reaktors. So wird davon ausgegangen, dass er sich nach dem genehmigten Abschalten bis zum Jahr 2022 im Nachbetrieb befinden wird. Dem schließt sich die Phase des Rest- und Stilllegungsbetriebs bis 2030 an. Erst danach ab 2030 schließt die Reststoffentsorgung an. Bereits in der Vorbereitungsphase, in der sich der Reaktor noch in Betrieb befindet, setzt das HZB nun das Dialogverfahren an, das sich mit Themen wie dem Verbleib von Experimentiereinrichtungen, Brennelementen sowie von schwach- und mittelradioaktiven Reststoffen beschäftigt.
Da werden in einer Massenerfassung Reaktorbauteile aufgelistet, ein Schadstoffkataster wird angelegt, Aktivierungsberechnungen müssen erstellt und erste Konzepte zur Entsorgung aufgestellt werden. Vorhersagen werden errechnet für die zu erwartende Rest-Radioaktivität während des Abbau-Prozesses.
Die abgeschalteten Brennelemente klingen dann in der Anlage noch zwei Jahre ab, eine Phase, in der keine Kernspaltung mehr stattfindet.
Projektleiter Welzel und die Moderatoren des Abends machten deutlich, dass im Rückbau-Dialog an das HZB herangetragene Bedenken und Ängste unbedingt berücksichtigt und ernst genommen würden. Nur so seien Konfliktthemen frühzeitig erkennbar und eskalationsfrei lösbar. „Wir möchten Ihre guten Ideen in den Rückbauprozess einfließen lassen, um ihn sicher, nachhaltig, einvernehmlich und wirtschaftlich umsetzen zu können“, kündigte Welzel an und wünschte sich für den gegenseitigen Umgang „besonders Respekt und Ernsthaftigkeit.“
Beides bestimmte den anschließenden Dialog, in dem Fragen, Bedenken und Ideen aus Reihen der Anwesenden zeigten, wie notwendig derartige Veranstaltungen für ein allgemein besseres Verständnis sind.
Da gab es unmittelbare Fragen nach dem Verbleib des entstehenden Atommülls, nach vorstellbaren Unfällen während des Rückbaus, aber auch Fragen, die die anwohnende Bevölkerung von jeher bewegen: Welcher Gefahr sind wir im Falle eines betriebsbedingten GAUs ausgesetzt, was geschieht im Falle eines Flugzeugabsturzes oder Terrorangriffs? – Fragen, die verständlich sind, aber deren Antworten auch immer wieder deutlich machten, dass ein Restrisiko eben niemals ganz ausgeschlossen werden kann.
Themen wie Freimessung und Gesundheitsrisiken durch schwach- und mittelmäßige Reststrahlung kamen da ebenso auf den Diskussionstisch wie die Frage nach dem auf dem Reaktor-Gelände gelagerten radioaktiven Restmüll aus Krankenhäusern.
Sei es denn nicht sicherer, den BER II anstelle eines Rückbaus zu umbauen und einzuschließen? Doch würden wir dann nicht den nächsten Generationen den Rückbau auflasten?
Schnell wurde klar, dass es zur Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen eines umfangreichen Dialogprozesses bedürfe, dessen Start an diesem Abend im November gemacht werden konnte.
Im letzten Veranstaltungsteil ging es dann um konkrete Vorschläge und Anregungen aus Reihen der Besucher zu den Themen: Was benötige ich, um Vertrauen auf den Dialog zu setzen? – Worin besteht noch Informationsbedarf und höhere Transparenz? –Welche Probleme sehe ich hinsichtlich des angedachten Dialogs? –Zu welchen Dialogthemen sollten noch weitere Experten hinzugezogen werden? –Was ist für die Vorbereitung zukünftiger Veranstaltungen wichtig?
Auf jeweils zum Thema angebotener Stellwand wurden die Dialogsuchenden noch einmal aktiv und stellten schriftlich ihre Vorschläge, Ideen und Fragen zur späteren Auswertung.
Doch es gab auch Skeptiker, die eine Transparenz von Seiten des HZB in den vergangenen Jahren vergeblich gesucht hatten. Anja wohnt am Kleinen Wannsee und sagt, was an diesem Abend untereinander verhalten anklingt: „Wie sollen wir zum Dialog Vertrauen fassen, wenn ein Vertrauen über die Jahre durch fehlende Transparenz nicht aufgebaut werden konnte?“
Der allgemeine Wille zum Dialog aber, der an diesem Abend deutlich wurde und eine erste Gruppe von Anwohnern, Anti-Atom-Gegnern, von HZB-Mitarbeitern und deren Führungsspitze im Gespräch zusammenbrachte, lässt hoffnungsvoll einem gut durchdachten Rückbauprozess entgegenblicken.
Weitere Informationen unter www.hzg.de/dialog .
Kontaktadresse für weitere Dialog-Interessierte:
E-Mail hannes.schlender@helmholtz-berlin.de oder Telefon 030 – 8062 42 414.
Jacqueline Lorenz
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