Gazette Verbrauchermagazin

Männlich, alleinstehend, auf 6,5 Quadratmetern

Erstes deutsches Ledigenheim war in Charlottenburg

Erschienen in Gazette Charlottenburg Oktober 2018
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Es war in der Gründerzeit. Eine Zeit, in der die Menschen nach Berlin strömten und auch dringend als Arbeitskräfte gebraucht wurden. Der Wohnraum war knapp. Zwar wurde viel gebaut, aber die Wohnungen waren auch sehr gefragt. Für alleinstehende Männer, die nur ein geringes Einkommen hatten, wurde in der Charlottenburger Danckelmannstraße das erste Ledigenheim Deutschlands gebaut. So sollte das Vermieten einzelner Betten an „Schlafburschen“, womit sich Familien die Miete aufbesserten, eingedämmt werden. Denn die sittenstrenge Gesellschaft fürchtete um die Moral, wenn unverheiratete Männer allein in einer Wohnung mit Ehefrauen und Töchtern waren.

Die Zimmer im Ledigenheim, in denen Männer im arbeitsfähigen Alter und einem geringen Einkommen wohnen durften, hatten etwas mehr als 6 Quadratmeter. Darin war Platz für einen Tisch, ein Bett und ein Spind, in dem die persönlichen Sachen eingeschlossen wurden. Und ein Nachtschränkchen. Aus dem Jahr 1931 stammte die Bitte, darin die Adressen Verwandter und persönliche Papiere aufzubewahren, damit die Verwaltung die Angehörigen benachrichtigen konnte, wenn der Mieter starb. Die Ausstattung des Ledigenheims war durchaus komfortabel. Es gab eine Bücherei, eine Küche mit Gasherden, einen Speisesaal und eine Badeanstalt. Bettwäsche und Handtücher wurden zur Verfügung gestellt.

Bis in die 1940er-Jahre herrschte strenges Frauenverbot, woraufhin das Heim im Volksmund „Bullenkloster“ genannt wurde. Nach der Aufhebung des Verbots war Damenbesuch zwischen 14 und 22 Uhr erlaubt. Wenn jedoch herauskam, dass eine Dame mehrere Herren besuchte, bekam sie Hausverbot. Die Betten waren begehrt – wurde ein Zimmer frei, stand sehr schnell der Nachmieter auf der Matte. Das Ledigenheim bestand noch bis in die 1960er-Jahre. Dann standen mehr und mehr Zimmer leer und die Bausubstanz war nicht mehr die Beste. Die Wohnungsnot hatte abgenommen und ein Weiterbetrieb war nicht wirtschaftlich. Das Heim wurde geschlossen und verkauft. Der Käufer, die Gewobag, ließ es umbauen, wobei die alte Fassade originalgetreu erhalten wurde. Anfang der 80er-Jahre zogen hier die ersten Studenten ein. Aus dem Ledigenheim in der Danckelmannstraße 46 – 67 wurde ein Studentenwohnheim, das immer noch besteht.

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