Erschienen in Wannsee Journal Oktober/November 2018
Wetterextreme sind häufiger geworden. So folgt da auf einen regenreichen Sommer ein extrem trockener und hitzereicher, wie wir es 2017/2018 erlebt haben. Die Natur muss damit ebenso fertig werden wie der Mensch, doch nicht immer gelingt das.
Einer der Leidtragenden dieser Wetterkapriolen ist der Waldsee in Berlin-Zehlendorf, dessen Ufer im vergangenen Jahr über mehrere Wochen überflutet war – schädigend und todbringend für rund 83 Bäume. Doch der See, ein Regenrückhaltebecken in Besitz des Bezirks, hat seit 2014 mit dem „Waldsee in Berlin-Zehlendorf e. V.“ aus Reihen der etwa 150 Parteien zählenden Anrainer rund 40 engagierte Fürsprecher gefunden, die sich mit viel Know-how und Energie für seine Sanierung, sein Überleben und eine artenreiche Pflanzen- und Tierwelt an Land und im Wasser einsetzen.
In seiner aktuellen Outdoor-Aktion, für die Öffentlichkeit von der Brücke aus am Erdmann-Graeser-Weg gut sichtbar, macht der Verein mit breiten Manschetten in leuchtendem Orange auf die so gekennzeichneten 83 geschädigten Bäume aufmerksam und will zugleich an die Verantwortung des Bezirks als Eigentümer des Sees appellieren.
Der bei einer Länge von etwa 530 Metern 2,5 Hektar große Waldsee entstand vor über 100 Jahren zwecks Grundwasserabsenkung durch Abgrabungen eines ehemaligen Fenns. Als sogenannter Vorfluter der regionalen Straßenentwässerung besitzt er drei Regenwassereinleitstellen, die ein insgesamt ca. 61 Hektar großes Einzugsgebiet der Gebiete Argentinische Allee 6, Fischerhüttenstraße 84a-88 und Goethestraße 15-17 in den Waldsee entwässern. Außerdem gibt es eine unterirdische Verbindung zum nördlich gelegenen Vierling, der ebenfalls zur Aufnahme von Niederschlagsabläufen dient.
In Trockenzeiten gelangt über eine wasserstandabhängige Einleitung in Höhe des Erdmann-Graeser-Weges Frischwasser aus dem Schlachtensee in den Waldsee. Der Normalpegel seines Wasserstandes liegt bei etwa 35,6 m+NN. Ein Anstauen des Wassers ist für möglichst kurze Zeit auf 36,30 m über Null vertretbar.
Für ein Absenken des Wasserspiegels ist der Bezirk verantwortlich. Zwar verfügt dazu der Waldsee über einen Entlastungskanal in den Schlachtensee, doch der wurde 1988 auf Senats-Weisung dauerhaft verschlossen, um die gute Wasserqualität im Schlachtensee zu gewährleisten.
Als in den Jahren 2007 und 2017 starke Regengüsse mehrwöchige Hochwasserstände am Waldsee zur Folge hatten, kam es zu Schäden an Anliegergrundstücken und Häusern. Zahlreiche mitunter Jahrzehnte alte Bäume standen mit den Wurzeln für viele Wochen im Wasser und nahmen so nachhaltig schwer Schaden. Zwar habe man – darunter auch das „Haus am Waldsee“ und das bezirkseigene „Haus der Jugend“ – frühzeitig den Bezirk darauf hingewiesen, tätig zu werden, erklärt der stellvertretende Vereinsvorsitzende. „Doch das zuständige Bezirksamt hat erst spät reagiert und schließlich 25.000 Kubikmeter Wasser innerhalb von 10 Tagen aus dem Waldsee gepumpt, als es für viele Bäume bereits zu spät war. Sie tragen nun orange Trauerflor.“
Umwelt-Bezirksstadträtin Maren Schellenberg erklärt dazu, dass die Problematik, die ein zeitnahes schnelles Abpumpen verhinderte, darin lag, dass der Schlachtensee in seiner Wasserqualität nicht zu gefährden ist. Als Regenrückhaltebecken beherberge der Waldsee von Straßen abgespülte Rückstände unterschiedlichster Herkunft. Vor einem Abpumpen seines überschüssigen Wassers, das dann in den Schlachtensee gelangt, müsse zuerst anhand von Probenuntersuchungen eine für die Gesundheit unbedenkliche Waldsee-Wasserqualität festgestellt werden, um den Badesee in seiner Qualität nicht zu gefährden.
„Wir alle müssen lernen, mit Wetterextremen und ihren Folgen umzugehen“, erklärt die Bezirksstadträtin. Sie betont, dass der Bezirk intensiv bemüht und in lebhafter Diskussion mit den Berliner Wasserwerken sei, um – wie vor 1988 – eine Entlastungsöffnung für den Waldsee zum Schlachtensee hin erreichen zu können.
Leise gleitet das Ruderboot über den Waldsee. Auf den ersten Blick ein Paradies. Ein Eisvogel huscht über die Wasseroberfläche, ein junger Fischreiher wartet hungrig am Ufer. Rund um den See alte Villen, die Geschichte zu erzählen wissen, umgeben von gepflegten Gärten.
Auch das Grundstück des „Haus am Waldsee“ liegt hier, nutzte den See erst kürzlich anlässlich seines „Baustellenfestes“ für die künstlerisch-naturwissenschaftliche Installation „The Weather Project, 2018“ von Markus Jeschaunig. Laut Aussage der Direktorin Dr. Katja Blomberg steht das Haus für zeitgenössische Kunst den Aktivitäten des „Waldsee in Zehlendorf e. V.“ positiv gegenüber, kann als öffentliche Institution jedoch lediglich mentale Unterstützung leisten.
Doch die toten Bäume am Ufer flehen unübersehbar um aktive Hilfe für den See, die geschädigten kämpfen ums Überleben.
„Ökologisch nachhaltig wollen wir den Waldsee retten“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende die Ziele seines Vereins, der seit einigen Jahren den Natur- und Landschaftsschutz rund um und im See vorantreiben will. Dazu werden Anlieger auch über richtiges Düngeverhalten und geeignete Uferpflege aufgeklärt. Einige Anrainer machen es auf ihrem Grundstück beispielhaft vor: Seerosen, Röhricht, und erst nach einem Streifen Wildkräuter beginnt die kultivierte Rasenfläche.
Jugendliche, die beim Angeln am See erwischt wurden, überzeugte das Vereinsprojekt, so dass sie bei der Arbeit für den See schließlich begeistert mithalfen.
Fisch- und Amphibienzählungen hat der Verein inzwischen durchgeführt, Schichtholzhecken, die unterschiedliche Ebenen vernetzten und konstante Innenraumtemperatur halten, – ähnlich einem Biberbau – in mühsamer Handarbeit angelegt, Nisthilfen für den seltenen Eisvogel darin versenkt. Nun überlegt der Verein, die kleine Insel im See über eine Grün-Patenschaft als unberührtes Refugium der Tierwelt zu überlassen. Bereits eingezogen auf dem Eiland sei eine Wasserschildkröte, freut sich der stellvertretende Vereinsvorsitzende.
Um die ökologische Sanierung des Sees voranzutreiben, haben die Vereinsmitglieder mithilfe von Vereinsspenden fachliche Beratung eingeholt und verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen vornehmen lassen. Eine Machbarkeitsstudie ist in Auftrag gegeben, um den Behörden fundierte Möglichkeiten zur Verbesserung der Wasserqualität vorlegen zu können.
Um Strukturreichtum und biologische Vielfalt bei Pflanze und Tier zu fördern, muss der Schadstoff- und Phosphatgehalt im See dringend abgesenkt werden. In Höhe des Einflusses von der Argentinischen Allee her hat der Waldsee noch etwa 50 Zentimeter Sichttiefe. – Nicht zuletzt wegen fehlender Partikelabscheider. Der ursprünglich 1,80 Meter tiefe See weist hier eine bedrohliche Verschlammung auf, blubbernd steigen stinkende Methan- und Faulgasblasen an die Wasseroberfläche.
Einseitige Hornkrautansiedlung begünstigt dies. Auch bei den Fischen ist die Artenvielfalt zurückgedrängt, nur Arten mit geringem Sauerstoffbedarf wie Moderlieschen und Schlei können hier noch überleben.
Der Verein denkt über eine partielle Entschlammung des Sees durch eine Fachfirma nach, aber das kostet pro Kubikmeter 30 Euro plus 30 Euro für die Schlammentsorgung…
So hofft man auf eine zeitnahe Lösung des Abflussproblems im See durch Bezirk und Berliner Wasserwerke. – Eine weitere Starkregenphase dürfte den Zeiger schneller gegen zwölf rücken und den Tod weiterer Bäume bedeuten.
Außerdem würde sie viel engagierte Arbeit des Waldsee in Zehlendorf e. V., der unser aller Umwelt und Natur zu sanieren als engagiertes Ziel hat, zunichtemachen.
Eile tut also dringend Not.
Weitere Informationen zu Verein und Waldsee unter www.zehlendorf-waldsee.de
Jacqueline Lorenz
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