Gazette Verbrauchermagazin

Cannabis-Konsum auf den Straßen des Bezirks

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf April 2019
Anzeige
Ballettschule am MexikoplatzMalermeister

Seit Jahren wird über die Frage des Konsums von Cannabis heftig in der deutschen Öffentlichkeit gestritten. Dabei spielen nicht nur die rechtlichen Fragen der Strafbarkeit des Besitzes, sondern vermehrt auch die möglichen gesundheitlichen Gefahren des Konsums, insbesondere bei Jugendlichen, eine Rolle. Auch bei den Beratungen der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf trafen die z. T. sehr unterschiedlichen Auffassungen zu diesem Thema aufeinander. Im Folgenden nehmen die Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung zu dieser Kontroverse Stellung.

CDU-Fraktion

Die zunehmende „Genuss“ von Cannabis im Bezirk durch Jugendliche ist besorgniserregend. Immer offener wird insb. in Parks, an Bahnhöfen oder Treffpunkten, „Haschisch“ geraucht – am süßlichen Geruch erkennbar. Von den Rauchern, aber auch von Erwachsenen, werden die Gefahren „leichter“ Drogen heruntergepielt. Zu Unrecht: Bereits nach geringfügigem Gebrauch besteht bei Jugendlichen die Gefahr irreversibler Schädigung des Nervensystems bis hin zu therapieresistenter Schizophrenie. Klinische Erfahrungen und Studien sind unmissverständlich. Die CDU-Fraktion hält daher die Entwicklung eines Präventionskonzepts im Bezirk gegen den Cannabis-Konsum von Jugendlichen für dringend erforderlich.

Es geht um Aufklärung hinsichtlich der Risiken, die Ermutigung „nein!“ zu sagen, wenn Cannabis als „cool“ oder „harmloser als Alkohol“ angeboten wird, aber auch um wirksames Unterbinden des „Dealens“ mit Cannabis. Jugendamt und Ordnungsamt sind einzubeziehen. Das Ordnungsamt kann zwar nicht unmittelbar eingreifen, wenn Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz vorliegen – denn darum geht es beim Dealen – aber wegsehen darf es deswegen noch lange nicht.

Dr. med. Claudia Wein

SPD-Fraktion

Cannabis wird im Gegensatz zu Alkohol und Nikotin als gesellschaftlich nicht tolerierte Droge behandelt, obwohl es auch bei diesen Drogen zu gefährlichen Nebenwirkungen kommt. Die Gefährlichkeit von Cannabis liegt vor allem in der Beimischung gefährlicher Stoffe, wie z. B. Arsen und der Erhöhung des THC-Gehalts. Wer etwas gegen Drogenmissbrauch unternehmen will, muss für andere Drogengesetze sorgen. Damit Jugendliche nicht mehr an Drogen herankommen, sollten Alkohol, Zigaretten und Cannabis, das dann für Erwachsene legalisiert werden müsste, in eigenen Läden angeboten und nur unter Nachweis des geeigneten Alters verkauft werden dürfen. Verstöße sollten mit hohen Strafen geahndet werden. Dabei könnte für sauberes Cannabis mit einem niedrigeren THC-Wert gesorgt werden. Die heutigen Drogengesetze nützen nur den Kassen der Drogenhändler. Außerdem werden Nutzer kriminalisiert, anstatt dass ihnen geholfen wird. Entsprechende Aufklärungs- und Präventionsarbeit ist hier immens wichtig!

Juliana Kölsch

B‘90/Grünen-Fraktion

Cannabis ist für uns kein „Straßenthema“. Mündige, erwachsene Menschen sollten unserer Auffassung nach legal und reguliert Cannabis konsumieren dürfen, ebenso wie dies bei Alkohol von jeher der Fall ist – ob nun draußen oder in vier Wänden. Es geht uns dabei nicht um eine Glorifizierung von Cannabis, ebenso wie uns dies bei Alkohol fern liegt: beide Stoffe können bekannterweise neben Genuss auch negative Folgen haben. Andererseits schaffen von Ideologie geleitete Totalverbote mehr Probleme, als sie lösen: illegale Händler fragen in der Regel nicht nach Ausweisen und Alter ihrer Kund*innen, Suchthilfe für Abhängige wird in eine Grau- und Schamzone abgeschoben, erhebliche Kapitalerträge in eine Schattenwirtschaft statt einen ordentlich versteuerten Wirtschaftszweig gedrängt, Menschen zu immensen Kosten von Strafverfolgung und -vollstreckung kriminalisiert, Qualitätskontrollen und -überwachung gegen gestreckte Ware wird weitestgehend unmöglich. In diesem Sinne braucht es auf Bundesebene ein Cannabiskontrollgesetz, welches klare Verhältnisse schafft – auf unseren Straßen und anderswo.

Lukas Uhde

AfD-Fraktion

Keine Legalisierung, doch auch keine Kriminalisierung von Cannabis. Hört sich widersprüchlich an, ist aber machbar. Wir brauchen Modellprojekte, denn unser Bezirk schwebt nicht unbehelligt vom süßlichen Duft im Berliner Raum. Auch bei uns leben viele Menschen, die diese bis 1929 frei in Deutschland verkäufliche Pflanze konsumieren. Denn bis dahin waren verschiedene Rauschmittel an jeder Straßenecke oder in Apotheken zu haben, ohne dass jemand die Konsumenten kriminalisierte.

Der abhängig machende THC-Gehalt in der Cannabispflanze steigt durch gezielte Züchtungen seit Jahren an. Legen wir den Dealern das Handwerk: bieten wir kontrolliert Cannabis an, staatlich überwacht in Apotheken. Vertrauen wir dem verantwortlichen Bürger.

Sie sind entsetzt? Wir entziehen der Organisierten Kriminalität durch diese Vorgehensweise einen Teil ihrer Geschäftsgrundlage. Und so verrückt es sich anhört: dadurch kontrollieren wir auch den THC-Gehalt, also den süchtig machenden Inhaltsstoff, mithin den Suchtfaktor des Produktes. Und zu guter Letzt freut sich der Finanzminister über die damit verbundenen Steuereinnahmen – wie bei Tabak und Alkohol.

Peer Lars Döhnert

FDP-Fraktion

Die FDP fordert eine kontrollierte Freigabe von Cannabis an volljährige Personen. Denn: Die Kriminalisierung von Cannabis ist nicht Lösung, sondern Ursache zahlreicher Probleme. Unzählige Menschen werden kriminalisiert; Kapazitäten von Polizei, Justiz und Gefängnissen gebunden, obwohl gerade unser einbruchsgefährdeter Bezirk diese dringend bräuchte; und der Jugendschutz massiv erschwert, da nur durch einen Verkauf in lizenzierten Geschäften die Qualität kontrolliert und die Weitergabe von verunreinigten Substanzen verhindert werden könnte. Zudem erleichtert das Verbot durch den illegalen Kontakt zu Dealern erst recht den Einstieg zu härteren Drogen. Gleichwohl: Wie Alkohol und Nikotin hat auch Cannabis negative Auswirkungen. Dem müssen wir begegnen. Wenn Cannabis ähnlich wie Zigaretten besteuert wird, können jährlich bis zu einer Milliarde Euro zusätzlich eingenommen werden. Dieses Geld soll für Prävention, Suchtbehandlung und Beratung eingesetzt werden. Das bringt mehr als jedes Verbot und wird der gelebten Realität gerecht. Die Prohibition ist krachend gescheitert, ein Umdenken gerade im Sinne junger Menschen überfällig.

Lars Rolle

Linksfraktion

Wenn Sie durch die Straßen in S-Z gehen: fällt Ihnen auf, dass besonders viele Menschen kiffen? Dass süßlicher Geruch durch die Straßen wabert? Werden Sie im öffentlichen Raum von beseelt lächelnden Leuten umarmt?

Also: uns geht das nicht so. Aber sei‘s drum. Cannabis wird als gefährliche Droge wahrgenommen – Alkohol nicht! Obwohl sowohl die negativen Auswirkungen auf (familiäre) Beziehungen als auch gesundheitliche Schäden viel gravierender sind als bei Cannabis. Von den Kosten für die Allgemeinheit mal ganz abgesehen. Ob Cannabis zur Entwicklung von Psychosen beiträgt oder als Einstiegsdroge dienen kann, lohnt der Debatte an dieser Stelle nicht. Worüber eine Debatte allerdings dringend geführt werden muss ist, weshalb in S-Z der Ruf nach ordnungspolitischen Maßnahmen in diesem Zusammenhang lauter schallt als der Ruf nach mehr Sozialarbeit, Streetworking, Jugendzentren mit attraktiven Angeboten und Suchtprävention. CDU und Grüne hätten es in der Hand, hier positive Signale zu setzen – stattdessen lehnen sie eine Nachnutzung des Alliiertenmuseums als Jugendzentrum ab: ihnen wäre ein Kulturzentrum lieber. Eine Chance vertan!

Gerald Bader

Titelbild

© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2022