Erschienen in Dahlem & Grunewald Journal Dezember/Januar 2018
Vor über 100 Jahren entstanden um ihn herum Wohn- und Geschäftshäuser, und mit Eröffnung der U-Bahn-Linie nach Dahlem im Jahr 1913 wurde es hier immer lebendiger: Der ehemalige Rastatter Platz nahm als Breitenbachplatz und „Tor zu Dahlem“ unter der Hand des St. Petersburger Gartenarchitekten Georg Kuphaldt wohlgeformte Gestalt an; eine grüne Oase begrüßte damals U-Bahn-Fahrende und Flanierende und bildete mit der umliegenden Bebauung ein harmonisches Gesamtbild. Doch lang´ ist´s her…
Heute ziehen nach und nach Geschäfte weg, die diesem Gesamteindruck gut taten. Oft können ihre Besitzer die steigenden Mieten nicht mehr zahlen. Was bleibt, sind tiefe Falten auf der Stirn des Breitenbachplatzes, der vergrämt auf Optiker, Hörgeräteakustiker und Bestattungsinstitut blickt und darüber nachsinnt, wie man dem zunehmenden Leerstand von Geschäftsräumen Herr werden und die Aufenthaltsqualität auf ihm wieder verbessern kann.
Das eigentliche Übel liegt ganz nah: Die dicht am Breitenbachplatz vorbeiführende Autobahnbrücke – ein „Monstrum aus Beton“, so SPD-Abgeordneter Florian Dörstelmann aus Wilmersdorf – versorgt Platz und Anwohner mit gleichmäßigem Verkehrslärm und Abgasmief, so dass weder der nur wenige Meter daneben auf dem Platz angelegte Spielplatz noch die Bänke der Grünanlage zum Bleiben einladen.
Dies zu ändern, gründete sich 2011 mit viel Engagement, guten Ideen und unter Leitung von Ulrich Rosenbaum die Bürgerinitiative (BI) Breitenbachplatz mit konkreter Zielsetzung: Sie will den Breitenbachplatz wieder attraktiver werden lassen, setzt dabei auf verkehrspolitische Maßnahmen wie Tempo 30 und die Markierung eines Radstreifens, denn der Platz zählt zur Fahrradmagistrale 1 der Senatsplanung.
Außerdem sieht sie die lärm- und abgasverbreitende Brücke, die den Platz an der Schnittstelle von Wilmersdorf, Dahlem und Steglitz teilt, lieber heute als morgen abgerissen.
Was zuerst nur Vision war, rückt nun seiner Umsetzung Stück für Stück näher:
Die Bezirkspolitiker aller Fraktionen sprachen sich im Rahmen einer Mitte September im Saal der Gemeinde Christi an der Steglitzer Forststraße von der BI initiierten und bis zum letzten Platz besetzten Anwohnerversammlung ausnahmslos für einen Abriss und eine zeitnahe Verlagerung der Debatte auf höhere politische Ebene Richtung Verkehrssenat aus, denn letztendlich fällt dort die Entscheidung.
Günstige Voraussetzungen bestehen derzeit, den Brückenabriss verstärkt ins Auge der Verkehrsplaner zu rücken, da der zur Brücke führende Tunnel an der Schlangenbader Straße kurz vor der Sanierung steht.
Stellung dazu nahmen im Rahmen der Versammlung Vertreter der Parteien aus Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf. Bezirksverordnete Sabine Lehmann-Brauns (CDU) erklärte, dass die CDU bereits in den 70ern gegen den Brückenbau gewesen sei, und freut sich schon heute auf die Wiederherstellung des alten Platzgrundrisses, „wenn die Brücke gekappt ist“. Hinter der Bürgerinitiative und ihrer Forderung stehen auch SPD, FDP und Grüne, die den Abriss als „überfällig“ bezeichnen, sowie die Linke.
Auch Ex-Senatsbaudirektor Hans Stimmann sprach sich überzeugt für den Brücken-Abriss aus und – für die Abschaffung des Autobahnabschnitts vom Hohenzollernplatz an, bzw. für die Stilllegung des Abzweig Schmargendorf: „Sonst macht der Abriss keinen Sinn.“ Gleichzeitig wendete er sich damit an Skeptiker bezüglich der Verkehrslenkung nach Brückenabriss: Der überörtliche Verkehr würde dann die A100 nutzen, der örtliche würde sich auf die vorhandenen Straßen verteilen. Einzelne Straßen müssten nach bewährtem Konzept dann allerdings „abgehängt“ werden, um den Lokalverkehr in den Griff zu bekommen. Für eine gelungene Wiederherstellung des Platzes hingegen müsse man sich nur auf die alte renommierte Gartenarchitektur rückbesinnen.
Übrigens: Verursacher des gebauten Autobahnabzweigs soll einst der Regierende Bürgermeister Willy Brandt gewesen sein: Begeistert von den Schnellstraßen in New York, wollte er nach seiner Rückkehr aus USA diese zukunftsträchtige Straßenform auch in Berlin gebaut sehen. 1979 stoppte Bausenator Harry Ristock diese Idee – für den Breitenbachplatz jedoch zu spät.
In der BVV haben die Grünen von Steglitz-Zehlendorf und von Charlottenburg-Wilmersdorf inzwischen erfolgreich Anträge zum Brückenabriss gestellt.
Die BI Breitenbachplatz erfuhr aus einem Schreiben von Verkehrs-Staatssekretär Stefan Tiedow, dass derzeit im Rahmen der geplanten Tunnel-Sperrung und -Sanierung Schlangenbader Straße an einem Verkehrskonzept für diese Zeit gearbeitet werde. Dies könne ein bedeutender Fingerzeit für einen Breitenbachplatz ohne Brücke sein, der als Platz unbedingt neu zu gestalten sei.
Zu Wort kamen auf der von BI-Mitglied und Schauspieler Oliver Kraatz wortgewandt moderierten Versammlung dann auch die Anwohner, die Ideen und Kritik einbrachten, die sich mit denen der Bürgerinitiative weitgehend deckten. Da überlegt der Kunstraum.Steglitz e. V., dem Leerstand am Platz mit Kunst entgegenzuwirken. Als Beispiel für eine erfolgreiche Wiederbelebung wurde die Ladenstraße Onkel Toms Hütte angeführt, und man wünschte sich für den Breitenbachplatz ein ähnliches Engagement der bezirklichen Wirtschaftsförderung, wie sie es bei der Ladenstraße gezeigt hat.
Außerdem wurde der Wunsch nach einem Zebrastreifen bzw. einer Ampel laut, um am ungesicherten Übergang am Breitenbachplatz mehr Sicherheit für Fußgänger zu schaffen.
Ideen, um die Aufenthaltsqualität am Breitenbachplatz zu verbessern, gibt es indessen reichlich: Eine Boule-Bahn wünscht sich die Bürgerinitiative. Bereits heute spielen Mitglieder aus ihren Reihen regelmäßig mittwochs ab 15 Uhr (Mitspieler willkommen!) auf dem Breitenbachplatz, außerdem Boule-Freunde Parkinson-Erkrankter sowie eine Gruppe aus der Nachbarschaft.
Fliederbüsche wie einst könnten wieder auf dem Platz stehen, Urban-Gardening wäre eine Option, und Sportgeräte für Jung und Alt, wie die Domäne Dahlem sie anbietet, stehen ebenso auf der Wunschliste von BI und Anwohnern. Dazu gibt es viele Ideen zu gemeinsamen Platz-Aktionen, die auch die Gastronomie mit einbeziehen. Doch eines dürfte dabei rechtzeitig zu klären sein: Woher soll die Platz-Pflege kommen, wer soll sich kümmern?
Derzeit arbeiten vom Grünflächenamt Steglitz-Zehlendorf drei Mitarbeiter bis zur Grenze ihrer Belastbarkeit daran, die Grünanlagen in Steglitz zu pflegen, zu säubern und zu wässern – darunter auch der Erlenbusch, der Gustav-Mahler-Platz, der Breitenbachplatz und die Schorlemer Allee. Mehraufwand dürfte dafür kaum möglich sein.
So bleibt als denkbares Thema für eine weitere Anwohnerversammlung zu überlegen, wie zukünftig ein gepflegtes Erscheinungsbild des Platzes durch ehrenamtlichen Freiwilligeneinsatz erhalten werden kann.
Um die Folgen der „autogerechten“ Stadtplanung aus den 70ern gemeinsam abzuwenden, wollen die drei benachbarten Bürgerinitiativen BI Wilmersdorfer Mitte, BI Friedrich-Wilhelm-Platz und BI Breitenbachplatz zukünftig zusammenarbeiten.
Ulrich Rosenbaum und die Anwesenden zeigten sich zufrieden über den Parteienkonsens und den disziplinierten Versammlungsablauf. Der Initiator kündigte für die nächsten Wochen gemeinsame Ortsbegehungen mit u. a. der Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski und Vertretern der Parteien an.
Wichtig aber sei es, eine Lobby im Abgeordnetenhaus zu erreichen, um den Brückenabriss voranzutreiben. – BI Breitenbachplatz und Bezirkspolitiker werden weiter daran arbeiten, „den Platz wieder zum Platz zu machen“.
Weitere Informationen unter www.breitenbachplatz.de
Jacqueline Lorenz
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