Gazette Verbrauchermagazin

Geldscheinmappe des Kaufhauses Leo Bry

Exponat des Monats – vorgestellt vom Schul- und Stadtteilmuseum Friedenau

Ecke Lauterstraße – rechts am Bildrand das Kaufhaus Bry. Archiv fbs
Ecke Lauterstraße – rechts am Bildrand das Kaufhaus Bry. Archiv fbs
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau November 2018
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Das „Schul-und Stadtteilmuseum Friedenau“ bewahrt zahlreiche Exponate, die an das vielfältige Geschäftsleben im Stadtteil erinnern. Darunter befindet sich auch ein etwa postkartengroßes, aus billigem Material gefertigtes Geldscheinmäppchen des Kaufhauses Leo Bry. Die Inschrift „Das Gold dem Vaterlande“ und die Jahreszahl 1914 im Eisernen Kreuz verweist auf die Zeit des I. Weltkriegs. Vermutlich wurde das Mäppchen als Werbegeschenk zum 10. Jubiläum des Kaufhauses im Jahr 1916 hergestellt.

Von angesehenen zum geächteten Unternehmen

Die Besitzer des Kaufhauses, Leo und Clara Bry, lebten über drei Jahrzehnte in Friedenau. Sie wohnten in der Niedstraße. An der Ecke Lauter- und Niedstraße mieteten sie ein Ladengeschäft an. Der Handelsregistereintrag lautete: „Kaufhaus Leo Bry. Manufaktur- und Modewaren. Lauterstraße 12/13.“

Angeboten wurden Kurz-, Weiß- und Wollwaren, Gardinen, Teppiche, Damen- und Kinder-Konfektion und Herren-Artikel. Den Slogan „Für Friedenau ein wahrer Schatz ist Kaufhaus Bry am Lauterplatz“ kannte bald jeder Einwohner. 1916 berichtete der Friedenauer Lokalanzeiger:

„Am Freitag, dem 10. März, feiert Herr Leo Bry, Inhaber des gleichnamigen Kaufhauses am Marktplatz, Lauterstraße 12-13, sein zehnjähriges Geschäftsjubiläum. Aus kleinen Anfängen hat sich sein Unternehmen zu einem ansehnlichen Warenhause entwickelt, so daß Herr Bry in Friedenau allgemein der „kleine Wertheim“ genannt wird. Jede Friedenauer Hausfrau weiß, daß sie bei „Bry“ nicht nur zuvorkommend, sondern auch billig und gut bedient wird. Herr Bry erfreut sich ebenso wie seine liebenswürdige Gemahlin in weiten Kreisen großer Beliebtheit.“

Noch am 23. September 1938 erschien in der „Jüdischen Rundschau“ eine Annonce des Kaufhauses Bry. Geworben wurde für Betten, Wäsche, Aussteuer, Gardinen und die Aufarbeitung von Daunendecken. Zwei Wochen später wurde das Geschäft in der Pogromnacht vom 09. zum 10. November völlig demoliert und die Waren geplündert. Das Geschäft wurde nach dieser Nacht nicht mehr geöffnet. Im Handelsregister des Jahres 1939 stehen für das Kaufhaus Bry nur drei Buchstaben „Liq.“ – die Liquidation, das Ende.

Leo und Clara Bry wurden für den 19. Januar 1942 in die Große Hamburger Straße Nr. 27 bestellt. Im Gebäude der Jüdischen Oberschule erhielten sie das Dokument zur richterlichen Verfügung über den Einzug ihres Vermögens durch den Fiskus. Anschließend wurde die Familie nach Riga deportiert und im Wald von Bikernicki erschossen. Ein Grab existiert nicht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete das Konfektionshaus Ebbinghaus in den Räumen am Lauterplatz sein Stammhaus, bis es im Jahr 1962 in das neu errichtete Gebäude am Walther-Schreiber-Platz umzog.

Wer das Geldscheinmäppchen sowie weitere Exponate zur Friedenauer Geschichte einmal selbst in Augenschein nehmen möchte, kann unter der Telefonnummer 90277 – 7910 einen Besuchstermin vereinbaren.

Auf Besucher freuen sich Alexander Bauwe mit den Schülern der Arbeitsgemeinschaft „Junge Historiker“ und der Schulleiter Michael Rudolph.

Weitere Informationen unter www.friedrich-bergius-schule.de

Alexander Bauwe/Lorenz

Titelbild

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