Erschienen in Wannsee Journal Dezember/Januar 2018
Nun ist er dran: Der Patchwork-Wandteppich, dessen 110 einzelne Stoffquadrate Menschen, die mit oder ohne Behinderung leben, zum bunten Gesamtkunstwerk zusammengenäht haben, schmückt seit dem 4. Oktober eine Wand im Foyer des Rathaus Zehlendorf.
Mit seinen bunten Farben und verschiedenen Mustern, die ein buntes, stimmiges Ganzes ergeben, versinnbildlicht er unsere vielfältige Gesellschaft und drückt aus, was noch immer nicht jedem Betrachter selbstverständlich ist:
Menschen mit Behinderung gehören ebenso in diese Gesellschaft wie Menschen ohne, echt und am Leben dran. Doch immer noch tragen umwelt- und einstellungsbedingte Barrieren dazu bei, dass die dadurch zusätzlich behinderten Menschen von einer umfassenden Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben ausgeschlossen sind.
Dem tritt der Bezirk Steglitz-Zehlendorf entschieden entgegen, an seiner Seite das Aktionsbündnis, das sich aus folgenden 16 Trägern der Behindertenhilfe zusammensetzt:
aktion weitblick betreutes wohnen gGmbH, Behindertenbeirat Steglitz-Zehlendorf, BIQ gGmbH, DRK Berlin Südwest gGmbH, Ev. Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf, Fürst Donnersmarck-Stiftung, Jobcenter Berlin Steglitz-Zehlendorf, Kinder- und Jugend-, Reit- und Fahrverein Zehlendorf e. V., FSD Lwerk gGmbH, Perspektive Zehlendorf e. V., Reha-Steglitz gGmbH, Spastikerhilfe Berlin e. V., Union Sozialer Einrichtungen gGmbH, VIA Blumenfisch gGmbH, Wendepunkt gGmbH und Zukunftssicherung Berlin e. V. für Menschen mit geistiger Behinderung.
Vor genau fünf Monaten hatte anlässlich des Europäischen Tages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am Bezirks-Aktionstag die Mitmach-Aktion zum Thema „Einfach-Inklusion – Machen wir“ im Rathaus Zehlendorf begonnen. Besucher Passanten und Bezirksamt-Mitarbeiter hatten da unter dem Motto „Bunt verbindet“ farbenfrohe Stoffreste in 10er Streifen aneinander genäht und nach eigenen Vorstellungen mit Applikationen verziert. „Die Nähwerkstatt“ der Reha-Steglitz gGmbH fügte diese Streifen später zu dem Gesamtkunstwerk Wandteppich zusammen, das im Herbst fertig wurde.
Organisatoren der Nähaktion, Freunde und Interessierte aus Bezirksamt, BVV sowie Aktionsbündnis nahmen an der feierlichen Ausstellungseröffnung am 4. Oktober teil, zu der Eileen Moritz, Bezirksbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, und Bezirksstadtrat Frank Mückisch geladen hatten, die selbst auch mit je einer Naht am Patchwork-Wandteppich beteiligt waren. Der anlässlich der Kunstwerk-Enthüllung vorgestellte, von Aktion Mensch produzierte Film verdeutlichte, wie gelungene Inklusion im Alltag aussehen kann.
Die Bezirksbeauftragte wies in ihren Begrüßungsworten – übersetzt durch eine Gebärden-Dolmetscherin – darauf hin, dass alle Menschen ebenso verschieden sind wie die einzelnen Stoffreste des Kunstwerkes, das seinen Weg ins Rathaus zeitlich passend gefunden hat. Gerade wird nach 2015 in diesem Jahr zum zweiten Mal die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) vom UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen geprüft. Dazu muss Deutschland bis zum 24. März 2019 über den Stand der Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen berichten und wird dann vom Ausschuss erneut überprüft und bewertet.
Neben Bund, Kommunen und Ländern müsse sich das Bezirksamt Gedanken machen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um diese Rechte zeitnah realisieren zu können, betonte auch Bezirksstadtrat Mückisch. Doch bis dahin gebe es noch viel zu tun. Mit dem Wandteppich, an dem jeder Rathaus-Besucher und -Mitarbeiter vorbeikommt, werde das Thema Behinderung wieder einen kleinen Schritt weiter in den Alltag des Bezirksamtes integriert und der Öffentlichkeit näher gebracht.
– Nur schade, dass an diesem Tag die Menschen nahezu fehlten, die selbst als Menschen mit Behinderung in der Nähwerkstatt am Zusammennähen der Streifen beteiligt gewesen waren.
Das Patchwork-Kunstwerk wird voraussichtlich zunächst ein halbes Jahr im Rathaus-Foyer hängen. Jedoch wäre eine dauerhafte Sichtbarmachung des Mahnzeichens durchaus angebracht. Denn noch bedarf es steter Erinnerung, dass Menschen, die körperlich und/oder geistig anders als die Mehrheit ihrer Mitmenschen sind, die Gesellschaft lebendiger machen und ein wichtiges Glied darin sind, dem es respektvoll auf Augenhöhe zu begegnen gilt.
Jacqueline Lorenz
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