Erschienen in Nikolassee & Schlachtensee Journal Dezember/Januar 2018
Wer einen nahestehenden Menschen verliert, wird häufig von Trauer, Wut, Hilflosigkeit und Einsamkeit überwältigt. Der Austausch mit anderen Trauernden kann dann helfen, die eigenen Gefühle sichtbar zu machen und ins Leben zu integrieren. Seit zehn Jahren bietet das Trauercafé des Diakonie-Hospiz Wannsee Raum für gemeinsame Trauerarbeit. An jedem ersten Donnerstag im Monat sind Trauernde in die Kirche am Immanuel Krankenhaus Berlin eingeladen, um dort unter seelsorgerlicher und kreativer Begleitung miteinander ins Gespräch zu kommen. Das Angebot steht ohne Anmeldung oder Abmeldung allen Interessierten offen. Der nächste Termin ist die Adventsfeier für Trauernde am 6. Dezember von 16 bis 17.30 Uhr.
Dann ist die Kaffeetafel im Untergeschoss der Kirche an der Königstraße 66 in Berlin-Wannsee wieder festlich mit Rosen geschmückt. Frisch gebackener Kuchen vom französischen Bäcker Aux Delices Normands steht duftend bereit. Jeden Monat spendet die Bäckerei einen Kuchen, einen weiteren kauft das Hospiz. „Alles ist sehr liebevoll vorbereitet, man fühlt sich hier gut aufgehoben“, sagt Gudrun Petersen*, die seit anderthalb Jahren jeden Monat mit dem Bus aus Potsdam zum Trauercafé fährt.
Der Nachmittag beginnt mit einer kleinen Vorstellungsrunde. Acht bis 15 Teilnehmende unterschiedlichen Alters, meist Frauen, kommen durchschnittlich. Neben Trauernden, die teilweise schon seit Jahren dabei sind, kommen regelmäßig auch neue Gäste hinzu. „Wir sind jeweils in unterschiedlichen Trauerphasen. Für manche ist der Verlust noch ganz frisch, für sie ist es wichtig, erst mal alle Geschehnisse verarbeiten. Andere von uns leben schon länger mit der Trauer und sprechen eher darüber, wie es uns gerade geht“, erklärt Gudrun Petersen. Die 78-Jährige hat ihren Mann vor fünf Jahren verloren.
Nach der Vorstellungsrunde gibt Angelika Behm, Leiterin des Diakonie-Hospizes Wannsee, einen kurzen Input zu einem Thema, dem sich die Gruppe mal künstlerisch, mal schreibend, mal über Bewegung, Spiel oder Gespräch nähert. Der kurze thematische Impuls regt Gespräche an und schafft eine Verbindung zwischen den Anwesenden. „Einmal haben wir uns zum Beispiel über das Märchen von Hans im Glück mit unseren Gefühlen von Verlust und Glück auseinandergesetzt. Ein andermal haben wir einen Brief an den Verstorbenen geschrieben, in dem wir ihm ganz spontan alles mitteilen konnten, was wir ihm noch sagen wollten. Das war sehr befreiend“, erinnert sich Petersen.
Am meisten schätze sie den Austausch mit den anderen Trauernden, in deren Erfahrungen sie sich selbst wiederfinden könne. „Es hilft mir zu hören, in welcher Phase der Trauer sie sind und wie sie damit umgehen. Ich bekomme Anregungen für mich selbst. Ich kann dann herausfinden, was für mich passend sein könnte und was nichts für mich ist“, sagt die Witwe. Der eine ziehe sich ganz zurück, die andere werde besonders aktiv und gehe auf Weltreisen. Der Umgang mit Trauer sei so unterschiedlich wie die Trauernden und doch gebe es Gemeinsamkeiten.
Zum Abschluss des Nachmittags räumen alle gemeinsam auf. Jeder Gast darf eine Rose mit nach Hause nehmen.
„Ich erlebe das Trauercafé als eine sehr dichte Veranstaltung, die viel Nähe zulässt. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Offenheit und gegenseitigen Anteilnahme“, sagt Angelika Behm, die das Trauercafé seit 2013 leitet. „Die Teilnehmenden bauen in kurzer Zeit zueinander Kontakt auf und freuen sich aufeinander. Neue Teilnehmende werden sehr herzlich aufgenommen und profitieren von den Erfahrungen der anderen. Nicht selten passiert es, dass jemand sagt: Das habe ich noch nie jemandem erzählt. Oder: Heute konnte ich das erste Mal weinen.“
Angelika Behm freut sich, wenn Menschen nach einer gewissen Zeit sagen: „Das Trauercafé hat mir sehr geholfen, aber jetzt brauche ich es nicht mehr. Ich kann meinen Weg allein durch das Leben fortsetzen.“
Mehr über die Trauerbegleitung des Diakonie-Hospiz Wannsee erfahren Sie unter www.diakonie-hospiz-wannsee.de/unser-angebot/trauerarbeit/ .
* Name von der Redaktion geändert.
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