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80. Jahrestag der Reichspogromnacht

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf November 2018
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Vor 80 Jahren brannten überall in Deutschland die Synagogen; vor 80 Jahren wurden allerorts Geschäfte und Wohnungen jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger zerstört und geplündert; vor 80 Jahren wurden Hunderte jüdische Deutsche getötet und Tausende inhaftiert. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 herrschten pure Willkür und offene Gewalt. Was damals geschah und dass es in unserem Land, in unserer Stadt geschehen konnte, das erfüllt uns bis heute mit Scham und mit Trauer.

Das Pogrom, das jüdischen Deutschen so viel Leid und großes Unrecht zufügte, war von der Nazi-Führung organisiert worden. Überall im Land – auch in Steglitz und Zehlendorf – wurden Synagogen und Bethäuser in Brand gesteckt, jüdische Friedhöfe geschändet, jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger drangsaliert, geschlagen, verschleppt und getötet.

Die schändlichen Taten vollzogen sich in aller Öffentlichkeit. Jede und jeder konnte sehen, hören und riechen, was geschah beziehungsweise geschehen war. Flammen, die aus Gotteshäusern schlugen, waren weithin sichtbar und der Brandgeruch lag noch lange in der Luft. Zerberstende Fensterscheiben waren weithin zu hören und jeder der sehen konnte und wollte, konnte sehen, als die Nachbarn überfallen und abgeführt wurden.

Die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger waren vollkommen recht- und wehrlos. Sie waren der hemmungslosen Gewalt schutzlos ausgeliefert. Weder die Polizei noch die Feuerwehr griff ein.

Aber auch 80 Jahre danach ist das Gedenken an die Reichspogromnacht von bedrückender Aktualität. Antisemitismus hat in unserem Land spürbar zugenommen, in den Medien und auf offener Straße, in Worten und in Taten. Die Anzahl der erfassten antisemitischen Delikte ist laut bundesweiter Kriminalitätsstatistik im letzten Jahr erneut angestiegen. Deshalb ist das Gedenken heute ein wichtiger Kompass für unsere Gesellschaft. Mit unserem Gedenken bekunden wir nicht nur Respekt vor den Opfern. Mit dem Gedenken zeigen wir, dass wir uns unserer Vergangenheit stellen und die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen haben.

Und erinnern wir uns auch daran: Nicht einmal 15 Jahre nach Gründung der Weimarer Republik 1918/1919 kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Sie hatten Vorurteile geschürt und die Juden als Sündenböcke für alle Probleme hingestellt. Und nach dem 30. Januar 1933 zögerten sie nicht einen Tag, die Demokratie mit Füßen zu treten und ein antisemitisches menschenverachtendes System zu installieren. Deshalb ist es so entscheidend, den Anfängen zu wehren und gegen jedes Anzeichen von Antisemitismus und Rassismus heute aufzutreten. Deshalb ist es so wichtig, nie nachzulassen, Freiheit, Demokratie und Toleranz zu verteidigen und aufzuzeigen, was geschehen kann, wenn wir es nicht tun.

Antisemiten und Demokratieverächter dürfen nie den Eindruck gewinnen, sie sprächen für eine schweigende Mehrheit. Denn das tun sie nicht! Die Mehrheit in unserem Land schätzt die Werte unserer freien Gesellschaft!

Es war ein langer, ein mühevoller Weg, nach der Shoah neue Brücken zu bauen und wieder zu einer Verständigung zwischen Juden und Deutschen zu gelangen. Aber es ist gelungen. Dafür sind wir dankbar. Und dieses wiedergewonnene Miteinander wollen wir bewahren und stärken. Das ist das Vermächtnis des 9. November.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
René Rögner-Francke
Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin:

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