Erschienen in Lichterfelde West Journal Dezember/Januar 2018
In den Gängen der Lichterfelder Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen am Ostpreußendamm duftet es an diesem Morgen verführerisch nach Kardamon und Zimt. In der eher bescheidenen Personalküche stehen Mustalifa aus dem Irak und Waffaa, deren Heimat Syrien ist, am Herd und kochen das irakische Risotto-Gericht „Biryani“. – Doch nicht für sich und ihre Familie kochen sie, sondern für Menschen wie Helga und Paul, die zu den Bedürftigen Deutschlands zählen. Im Saal der Pauluskirche Zehlendorf erwartet sie von Oktober bis Ende März dreimal pro Woche bereits im 25. Jahr die ökumenische Aktion „Warmes Essen“ mit Suppenküche, die den wohnungslosen und einkommensschwachen Menschen am Rande unserer Gesellschaft eine warme Mahlzeit und Nachtisch, darüber hinaus aber auch Aufmerksamkeit und auf Wunsch seelsorgerische Gespräche mit Gemeindepfarrerin Dr. Donata Dörfel anbietet.
ist das Motto der milaa gGmbH, die sich als Tochterfirma des Evangelischen Diakonievereins Berlin-Zehlendorf e. V. und als Mitglied im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V. in der Flüchtlings- und Jugendhilfe engagiert.
Als Betreiber der Gemeinschaftsunterkunft am Ostpreußendamm steht sie seit diesem Jahr der Paulusgemeinde auch als zuverlässiger Partner aktiv zur Seite, wenn es darum geht, die Zehlendorfer Suppenküche in der Essenzubereitung zu unterstützen. Der „milaa Betrieb“ wurde als Integrationsbetrieb im vorigen Jahr innerhalb des sozialen Trägers initiiert und legt seinen Focus auf die Tätigkeit der in den Unterkünften lebenden Menschen in den Bereichen Catering-Service, Interim-Restaurantbetrieb und Reinigung. In naher Zukunft ist der Aufbau eines eigenen Catering-Unternehmens mit Flüchtlingen geplant.
Mustalifa und Waffaa arbeiten bei milaa mit Arbeitsvertrag, der wichtig für einen Aufenthaltstitel ist, besuchen Weiterbildungs-Angebote und sind stolz darauf, etwas zum Lebensunterhalt beitragen zu können. Beide wollen noch besser Deutsch lernen, ihre Kinder besuchen Kita und Schule. Mustalifa´s Mann schaut an diesem Morgen auf seinem Weg kurz bei der Küche vorbei. In der Heimat arbeitete er als Computer-Fachmann. Hier geht er regelmäßig zu Fortbildungskursen, wie seine Frau erklärt.
Den Projekt-Kochlöffel am Ostpreußendamm hält Schwester Heike Erpel fest in der Hand. Als Projektleiterin und Ehrenamtskoordinatorin im Haus hat die Hauswirtschaftsleiterin bei Essensplan, Zutatenmenge und Einkauf das letzte Wort. Rund 60 Essen jeweils – um Weihnachten mehr – gehen an den Suppenküchen-Tagen Montag, Mittwoch und Freitag raus. Man merkt schnell, dass die drei Frauen bereits ein eingespieltes Team sind, in dem man sich aufeinander verlassen kann.
Die Bedürftigen waren zuerst etwas skeptisch, als sie erfuhren, dass zukünftig Flüchtlinge für sie kochen würden. „Sie dachten, es gibt dann nur noch Gemüse und ausländische Gerichte, doch das bleibt die Ausnahme“, erklärt Schwester Heike. Vielmehr ist sie bemüht, das auf den Tisch zu bringen, was Paul und Helga bevorzugen: Kräftig muss es sein, Fleisch enthalten und ordentlich durchwärmen. Favoriten sind da beispielsweise Eintöpfe, Königsberger Klopse und Frikassee, Kartoffeln werden Reis vorgezogen. Übrig bleibt kaum etwas, und wenn doch, wird das gerne von den Mittagsgästen für den nächsten Tag mitgenommen.
„Wir erhalten von der Gemeinde, ausschließlich über Spenden finanziert, pro Essen 3,42 Euro. Doch unsere Küche mit normalem Elektroherd und zusätzlichem Induktions-Kochfeld erlaubt wegen der zuzubereitenden Menge kaum aufwendigere Gerichte als aus zwei Komponenten bestehende. Wir kochen jedoch stets mit frischen Zutaten“, betont Schwester Heike. So gibt sie den Essen den Vorrang, die als ausgewogene Pfannengerichte oder Eintöpfe weniger Kochgefäße und –platz benötigen. Ein Geschirrspüler fehlt, der Wunschtraum aller Küchen-Beteiligten ist ein Industrie-Geschirrspüler, in den auch größere Gefäße passen. Ein Platz für ein derartiges Gerät ist in der Küche bereits frei gehalten.
Mustalifa und Waffaa schnippeln, rühren und mischen an diesem Mittwoch bereits emsig seit 8 Uhr. Das der Küche gegenüberliegende, bei den jüngsten Bewohnern so beliebte Kinder-Spielzimmer ist zu dieser Zeit noch verwaist.
In riesigem Topf erhitzt die Syrerin Öl, wenig später sind die Fadennudeln darin appetitlich gebräunt. Mandeln und Gemüse kommen dazu, anstatt zerkleinertem Hähnchenfleisch folgt heute – eher als Ausnahme – veganer Fleischersatz. Schließlich sollen alle Mittagsgäste der Paulusgemeinde im Essensplan berücksichtigt werden. Alles brutzelt leise vor sich hin, der zugegebene Basmatireis gibt dem arabischen Tellergericht den besonderen Pfiff. Als Beilage gibt es frischen Salat. Zum Nachtisch hat Mustalifa in Gläser Milchreis mit Mandeln geschichtet. Rosenwasser verleiht der süßen Verführung eine orientalische Note. Sein Duft mischt sich mit dem der Gewürze, die Biryani erst zu Biryani werden lassen: Fenchelsamen, Koriander, Paprika, Piment, Ingwer, Zimt, Kurkuma und Curry entfachen ein berauschendes Geruchsfeuerwerk.
Dennoch auf dem Boden der Tatsachen bleibt Schwester Heike: Nach gemeinsamem Abschmecken – wenn Schweinefleisch im Gericht ist, obliegt das Heike alleine – werden im Nebenraum von ihr die Wärmebehälter für die fertigen Mahlzeiten in Stellung gebracht; alle elektrisch, denn offenes Feuer wäre hier zu gefährlich. Kurz nach 11 Uhr fährt dann Hausmeister Wolfgang das Essen zum Paulus-Saal nach Zehlendorf, wo schon viele hungrige Münder warten. Diese Aufgabe soll ein Flüchtling demnächst übernehmen.
Mustalifa und Waffaa räumen indessen fröhlich tuschelnd weg, waschen ab und erklären schließlich fast einstimmig, warum sie dies alles tun: „Wir wollen damit etwas zurückgeben.“ Sie fühlen sich gut aufgenommen in der Unterkunft und wissen sehr wohl, dass es hier im Bezirk auch Armut und andere Menschen gibt, die dringend Unterstützung benötigen. Dabei mitzuhelfen, bedeutet für sie als geflüchtete Menschen gelebte Integration und Solidarität mit denen, die noch weniger als sie selbst haben.
„Eine Win-win-Situation für alle“, weiß Schwester Heike, die bereits auf dem Sprung zur Nähstube in der Unterkunft ist, einem weiteren Projekt, für das sie sich engagiert: Dafür sucht sie übrigens dringend Ehrenamtliche, die vor Ort die Frauen beim Nähen begleiten; aber auch Nähzubehör und funktionierende, ausrangierte Nähmaschinen sind in der Unterkunft herzlich willkommen.
An diesem Mittwoch-Mittag aber heißen im Saal der Paulus-Kirche Biryani und Rosenwasser-Milchreis mit ungewohnten Düften und besonderen Aromen fremder Länder und Kulturen auch Helga und Paul willkommen, die nur noch selten den Weg über die Bezirksgrenze hinaus finden.
Die Aktion „Warmes Essen“ erwartet bedürftige Gäste jeden Montag, Mittwoch und Freitag von 12 bis 14 Uhr im Saal der Paulus-Kirche in Berlin-Zehlendorf.
Jacqueline Lorenz
Aktion „Warmes Essen“
Unterstützer der Aktion „Warmes Essen“ sind willkommen, Spendenkonto:
Empfänger: milaa gGmbH
Bank: KD-Bank eG
IBAN: DE86 3506 0190 0000 8428 42
BIC: GENO DE D1 DKD
Verw.zweck: Aktion Warmes EssenWer die Nähstube der Gemeinschaftsunterkunft am Ostpreußendamm unterstützen möchte, wende sich bitte an die Geschäftsstelle der milaa gGmbH unter E-Mail: grabner@milaa-berlin.de oder Tel. 030 805 88 79 12 oder an Schwester Heike Erpel unter erpel@milaa-berlin.de
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