Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Mai 2019
Am 24. Juni 1948 – drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft – riegelte die sowjetische Besatzungsmacht die West-Berlin von den westlichen Besatzungszonen Deutschlands ab: Sämtliche Zufahrtswege zu Wasser und zu Land wurden wegen vorgeblicher technischer Probleme blockiert. Die Lieferung von Strom aus einem östlichen Großkraftwerk in die Westsektoren wurde angeblich wegen Kohlemangels abrupt beendet. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden von der Versorgung abgeschnitten.
Auslöser war der anhaltende Streit der Siegermächte um die Währungsreform, die auf die Westsektoren der Stadt ausgedehnt werden sollte. Die unterschiedlichen Interessen der Siegermächte in der Mitte Europas waren allerdings schon vorher deutlich zutage getreten.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED und den Marshall-Plan. Vorher hatten die Sowjets bereits den Alliierten Kontrollrat für das besetzte Deutschland und die Alliierte Kommandantura Berlin verlassen. Die West-Alliierten sollten zur Aufgabe ihrer Deutschland-Politik und zur Aufgabe des Vorpostens West-Berlin gezwungen werden.
Der amerikanische Oberbefehlshaber in Deutschland, General Lucius D. Clay, zögerte nicht und ordnete die Errichtung einer Luftbrücke an – bereits einen Tag nach dem Beginn der Blockade.
Am 12. Mai 2019 jährt sich zum 70. Mal das Ende der sowjetischen Blockade und der beispiellosen Versorgungsaktion der alliierten Luftbrücke. Durch die drei Luftkorridore der Westalliierten flogen rund 300 Flugzeuge Tag für Tag Lebensmittel, Industriegüter und Kohle in den Westteil Berlins – insgesamt in den elf Monaten 2,3 Millionen Tonnen. Sogar ein komplettes Kraftwerk, das Kraftwerk West, das später den Namen „Ernst Reuter“ erhielt, wurde über die Luftbrücke nach Berlin geflogen. Die US-Air Force und die britische Royal Air Force wurden dabei von Einheiten und Fliegern aus dem Commonwealth und logistisch von den Franzosen unterstützt.
Wir danken den westalliierten Mächten, allen voran den Amerikanern und den Briten, für diese einzigartige humanitäre Hilfsleistung. Ohne die Luftbrücke, ohne den Mut der Piloten, ohne die Großzügigkeit der amerikanischen, britischen und französischen Bevölkerung wäre der westliche Teil Berlins nicht Teil der freien Welt geblieben.
Mit rund 280 000 Flügen war die Berliner Luftbrücke die größte Hilfsaktion aller Zeiten. Zahlreiche alliierte Piloten und Flieger verunglückten und verloren ihr Leben während ihrer gefährlichen Tages- und Nachteinsätze für die notleidende West-Berliner Bevölkerung.
Die Luftbrücke ist weltweit zum Sinnbild des freiheitlichen Selbstbehauptungswillens geworden. Für die Entschlossenheit der West-Alliierten, West-Berlin nicht aufzugeben, waren die Berlinerinnen und Berliner ihnen dankbar. Aus den einstigen Feinden wurden Freunde und Beschützer. Heute wird an vielen Stellen der Stadt an die historischen Leistungen der Westalliierten für die Freiheit und Einheit der Stadt erinnert. Namen wie Harry-S. Truman, Lucius D. Clay, William H. Tunner sind untrennbar mit der Nachkriegsgeschichte Berlins verbunden und zahlreiche Plätze und Straßen in unserem Bezirk erinnern heute an die alliierte Präsenz in der Stadt. Gerade am 70. Jahrestag des Endes der Blockade werden wir Berliner deshalb nicht vergessen, was die Alliierten für uns getan haben.
René Rögner-Francke
© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2022