Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau August 2019
Fast 40 Jahre nach dem Tod des „leidenschaftlichen Berliners“ Ewald Wenck ist nun ein lesenswerter Buchband über ihn erschienen. – Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen des Schauspielers und RIAS-Moderators hatte seine Frau Dagmar, die über ein Vierteljahrhundert an seiner Seite stand, eigentlich nur für den „Familiengebrauch“ eine Mappe zusammenstellen wollen. Diese Privatsammlung diente Rüdiger Ohst, 2. Vorsitzender des Wilmersdorfer KünstlerKolonie Berlin e. V., nun als Grundlage für sein Büchlein über Ewald Wenck (1891-1981). Dabei wurde der Schreibstil von Ewald Wenck beibehalten. Seine Frau Dagmar kommt im Buch ebenso zu Wort wie der ehemalige Programmdirektor des RIAS, Prof. Herbert Kundler.
Älteren Lesern dürfte die Lektüre im Angedenken an den liebenswerten Künstler viel Freude bereiten, jüngere Leser finden hier das Porträt eines vielseitigen und Mensch gebliebenen Berliner Schauspielers vergangener Tage, der unvergessliche Film- und Theatergeschichte erlebt und mitgeschrieben hat und dabei bis ins hohe Alter gefragt blieb.
Das Buch gibt die damalige Zeit mit humorvollen Anekdoten gespickt wieder und lässt neben Ewald Wenck unvergessene Menschen wie Hans Rosenthal, Georg Thomalla, Claire Waldoff, Max Schmeling, Gert Fröbe und Curt Goetz wiederauferstehen. Und sogar Heinrich Zille erscheint in Ewald Wenck´s Lebensgeschichte auf der Bildfläche.
Manch reiferer Leser erinnert sich noch an die berlinische Gestalt mit Herz und Schnauze des liebenswerten Schauspielers und Kabarettisten: Der gab 17-jährig sein Bühnendebut und spielte – oft auch als Nebendarsteller und anfangs noch im Stummfilm – über 70 Jahre lang in pointenstarken Rollen von Filmklassikern wie „Die Feuerzangenbowle“ oder der Fernsehserie „Pension Spreewitz“. Er stand auch auf der Bühne an der Seite von namhaften Schauspielern, zu denen Heinz Rühmann, Marika Rökk und Martin Held zählten. Gemeinsam mit Martin Held und Elisabeth Bergner spielte Ewald Wenck im Jahr 1979 in seinem letzten Film „Der Pfingstausflug“, der in seiner Heimatstadt Berlin gedreht wurde.
Die angenehm knarzige Stimme und das warme Berlinern Ewald Wenck´s machten auch im Radio Furore und ihn zur Radiolegende.
Sie sind auch Vertretern heutiger Generationen ein Begriff geblieben: „Die Insulaner“, die als Vorstufe moderner Comedians kabarettistisch ausgefeilt politisch und gesellschaftlich Aktualitäten ihrer Tage aufs Korn nahmen. Ihr Motto war dabei: „Uns kann keener“. Von der Berlin-Blockade im Jahr 1948 bis zum Jahr 1964 gehörte die von Günter Neumann gegründete Kabarettsendung als „Straßenfeger“ zum festen Programm des RIAS. Ewald Wenck verkörperte darin „das Berliner Inventar“ neben Kollegen wie Bruno Fritz, Walter Gross, Tatjana Sais, Edith Schollwer, Ilse Trautschold und Agnes Windeck. – Wie Wenck Günter Neumann kennenlernte, auch das kann in seiner Lebensgeschichte nachgelesen werden.
Die Fortsetzungsserie im RIAS „Damals war´s – Geschichten aus dem alten Berlin“ wurde nicht zuletzt durch die sympathische Erzählstimme Ewald Wencks zu einer jahrelang beliebten Radio-Sendung.
Einen ebenso großen Erfolg brachte in den 70ern „Ewalds Schlagerparade für reife Hörer“, moderiert von Ewald Wenck als ältestem Discjockey, nach einer Idee von Hans Rosenthal. Alle 14 Tage ging die Schlagerparade auf Sendung, welcher der betagte Ewald Wenck mit Witzen, lockeren Bemerkungen und seinem markigen Gruß „Hallo Fans, Opi Dopi“ die nötige Würze gab. Dadurch gab es auch reichlich junge Anhänger dieser Sendung.
Die letzte der 282 Schlagerparaden wurde von Ewald Wenck´s Steglitzer Zuhause aus, Unter den Eichen 104a), am 26. Januar 1981 gesendet. Nur wenig später, am 30. April 1981, verstarb der Künstler nach schwerer Krankheit 89-jährig.
Als letztes von sechs Kindern einer Buchbinder-Familie wurde Ewald Wenck am 28. Dezember 1891 in der Fischerstraße in Alt-Berlin unweit der Fischerinsel geboren, in direkter Nachbarschaft zur ältesten Berliner Gaststätte „Zum Nussbaum“. Heinrich Zille war hier Stammgast.
Daheim war es verboten, zu berlinern. Doch auf den jungen Ewald übte der Dialekt der Straße einen besonderen Reiz aus. So berlinerte er, ganz leidenschaftlicher Berliner, eben nur inmitten seiner Straßenfreunde.
Und als Ewald einmal einem Freund zugerufen hatte: „Ick jeh nach oben, mir friert“, war das Echo deutlich: „Der will Schauspieler werden und weiß nicht mal, dass es „mich friert“ heißt.“
„Frau Holle“ in der Weihnachtsvorstellung hatte Ewald´s tiefe Liebe zum Theater geweckt. Nach Buchbinder-Lehre und Gesellenprüfung war für ihn der Weg Richtung Schauspielschule frei. Provinzbühnen brachten dann erste Bühnenerfolge. Die Monatsgage lag bei 90 Reichsmark. Dann ging´s nach Berlin, vom Stummfilm zum Tonfilm. Ewald Wenck spielte auf allen 40 Theaterbühnen der Stadt, trat später außerdem an namhaften Häusern wie Sportpalast, Deutschlandhalle und Prälat Schöneberg auf.
1947 lernte Ewald Wenck seine spätere Frau Dagmar in der Komödie am Kurfürstendamm kennen. Sie war dort seine Bühnenpartnerin im Stück „Meine Nichte Susanne“. Ewald Wenck bot sich nach der Vorstellung der jungen Schauspielerin als „Heimweg-Begleiter“ durch die schlecht beleuchteten Straßen Berlins an – und wurde schließlich zum lebenslangen Wegbegleiter und Ehemann von Dagmar, die ihn während ihrer harmonischen Ehe zu allen Theater- und Drehterminen begleitete und 34 Jahre an seiner Seite blieb.
Die rüstige Dagmar Wenck lebt noch heute in der Wohnung in Steglitz, die seit 1956 beider Zuhause war, und in der noch vieles an ihren Mann erinnert – auch die Gedenktafel am Haus.
Dagmar Wenck´s Antwort auf die Frage, was Ewald Wenck eigentlich auszeichnete, kommt prompt und ist im Buch nachzulesen: „Sein wunderbarer Humor, seine Liebenswürdigkeit, sein Fleiß, seine Bescheidenheit, seine Freundschaft, seine Ehrlichkeit? Alles! Und er war ein leidenschaftlicher Berliner!“
Interessierte willkommen: Am 27. Juni 2019 um 15 Uhr liest Autor Rüdiger Ohst im Hans-Rosenthal-Haus in der Bolchener Str. 5 in 14167 Berlin-Zehlendorf aus den Buch-Erinnerungen Ewald Wenck´s. Begleitet wird er von Dagmar Wenck und Moderator Nero Brandenburg.
Mehr liebenswertes, bescheidenes und humorvolles ist nachzulesen im 76-Seiten- Büchlein mit vielen Fotos: „Ein leidenschaftlicher Berliner – Ewald Wenck“.
Erhältlich für eine Schutzgebühr von 3 Euro – inkl. Versand für 5 Euro – über Rüdiger Ohst, E-Mail ruediger@berlinerkuenstlerkolonie.de
Jacqueline Lorenz
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