Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau März 2017
Das Vorbild steht mittlerweile im Museum: Die Liberty Bell wurde 1752 anlässlich der 50-Jahr-Feier der Charta über die Religionsfreiheit Pennsylvanias in London gegossen. Doch noch bevor sie aufgehängt wurde, entdeckte man einen Riss. Daraufhin gossen sie zwei Handwerker aus Philadelphia erneut. 1776 erklang sie zum ersten Mal, als die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung in Philadelphia in der Öffentlichkeit verlesen wurde. Die Inschrift der Glocke lautet: „Proclaim Liberty throughout all the land unto all the inhabitants thereof”, übersetzt: Verkünde Freiheit im ganzen Land für alle seine Bewohner. Zwischen 1817 und 1846 war es erneut ein Riss im Klangkörper, der die Glocke außer Betrieb setzte. Sie ist nun im Indepence National Historical Park in Philadelphia zu sehen, im eigens errichteten Liberty Bell Pavillon.
Ihre Nachfolgerin im Rathaus Schöneberg hingegen erklingt seit dem 24. Oktober 1950 jeden Sonntag um 12 Uhr. Im Dezember ist sie zusätzlich am Heiligen Abend und in der Silvesternacht zu hören. Der Guss der Glocke geht auf eine Initiative des früheren amerikanischen Militärgouverneurs Lucius D. Clay zurück. Sie ist eine Nachbildung der Liberty Bell und wurde wie diese in London gegossen. Die Welt litt noch unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs und der Schreckensherrschaft der Nazis, als 16 Millionen Amerikaner für die Freiheitsglocke spendeten und den Freiheitsschwur unterzeichneten: „Ich glaube an die Unantastbarkeit und an die Würde des einzelnen Menschen. – Ich glaube, dass allen Menschen von Gott das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde. – Ich schwöre, der Aggression und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo immer sie auf Erden auftreten werden. – Ich bin stolz darauf, am Kreuzzug für die Freiheit teilgenommen zu haben. – Ich bin stolz darauf, dass ich zur Herstellung der Freiheitsglocke beigetragen habe und diese Freiheitserklärung unterschrieben habe, dass mein Name nun ein ewiger Bestandteil des Freiheitsschrein in Berlin sein wird, und dass ich mich den Millionen Männern und Frauen in der ganzen Welt angeschlossen habe, denen die Sache der Freiheit heilig ist“ Die Unterschriftenliste befindet sich bis heute im Rathaus Schöneberg.
Die 10,206 kg schwere Glocke mit der Inschrift: „That this world under God shall have a new birth of freedom.“ (Möge diese Welt mit Gottes Hilfe eine Wiedergeburt der Freiheit erleben.) war am 20. Oktober von London aus in Bremerhaven eingetroffen. Schon am folgenden Tag zog man sie außen am Turm des Rathauses Schöneberg hoch. Am 24. Oktober 1950, an dem sich der Tag, an dem die Charta der Vereinten Nationen in Kraft getreten war, zum fünften Mal jährte, war es soweit: Eine halbe Million Menschen waren gekommen, um die ersten Klänge der Freiheitsglocke zu hören. Die Schulkinder hatten schulfrei bekommen, der Bundeskanzler Konrad Adenauer und der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter waren anwesend, genauso wie der mittlerweile pensionierte Lucius D. Clay, der US-Stadtkommandant Maxwell Taylor und der Hohe Kommissar der USA in Deutschland, John J. McCloy. Viele Unternehmen hatten die Mittagspause verlängert, damit ihre Mitarbeiter an dem Ereignis teilnehmen konnten.
Seit dem erklingt sie regelmäßig. Alle Nicht-Schöneberger konnten in Berlin den Klang täglich im RIAS hören, derzeit wird der Glockenklang sonntags um 12 Uhr im Deutschlandradio Kultur gesendet. Auch zu besonderen Anlässen war sie zu hören – sie schlug nach dem gescheiterten Arbeiteraufstand in der DDR am 17. Juni 1953, nach dem Mauerbau im Jahr 1961, am 9. November 1989, als selbige fiel, am 11. September 2001 als Terroristen tausende Menschen töteten, indem sie Flugzeuge ins World Trade Center lenkten. Doch auch die Berliner Freiheitsglocke hatte bereits mit einem Riss zu kämpfen, er wurde im Sommer 2000 entdeckt. Das Geld für die notwendige Reparatur kam durch Spenden – 50 000 DM gab allein der Axel-Springer-Verlag – blitzschnell zusammen. Eine Tafel am Rathaus Schöneberg informiert über Geschichte und Bestimmung der Freiheitsglocke, die uns durch ihren Klang immer wieder daran erinnert, dass Freiheit und Frieden nicht selbstverständlich sind, sondern jeden Tag erneut bewahrt werden müssen.
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