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Noble Villen in grüner Umgebung

Grunewald war einst eine selbständige Landgemeinde

Franz von Mendelssohn ließ das Palais in der Bismarckallee für seine Familie errichten.
Franz von Mendelssohn ließ das Palais in der Bismarckallee für seine Familie errichten.
Erschienen in Dahlem & Grunewald Journal Februar/März 2017

Im Grunewald, im Grunewald ist Holzauktion… – ein Gassenhauer, der einen historischen Hintergrund hat. Hier wurden Bäume gerodet, um ein neues, nobles Wohnviertel zu schaffen. Der Wunsch war politischer Natur – Reichskanzler Otto von Bismarck wünschte den Ausbau des Kurfürstendamms zu einer repräsentativen Straße – er nahm dabei die Champs-Élysées in Paris als Vorbild. Allerdings endete der zu jener Zeit wenig attraktive Kurfürstendamm im erst spärlich besiedelten Halensee und es gab zunächst keinen Grund, ihn zu einer Prachtstraße auszubauen. Der Reichskanzler veranlasste den preußischen Staat um das Jahr 1880, 234 Hektar des nahen Grunewaldes an das Bankenkonsortium Kurfürstendamm-Gesellschaft zu verkaufen. Damit die künftigen Bewohner der geplanten Villenkolonie standesgemäß anreisen konnten, erfolgte der Ausbau des Kurfürstendamms und seiner Verlängerung, der heutigen Koenigsallee.

Neue Häuser und Seen

Um die sumpfige Gegend trocken zu legen und die Lage der großzügigen Grundstücke noch attraktiver zu machen, fing die Kurfürstendamm-Gesellschaft an, die moorigen Areale Torffenn, Rundes Fenn und Langes Fenn auszubaggern und dort Seen anzulegen, die über artesische Brunnen gespeist wurden. So entstanden der Hubertus-, Koenigs- und Dianasee. Das Konzept war erfolgreich und schon bald standen die ersten Villen vermögender Bauherren in dem früheren Waldgebiet. Die Berliner, die befürchtet hatten, dass sie ihr geliebtes Ausflugsziel verlören, hatten sich getäuscht. Der Grunewald war um einige Attraktionen reicher geworden und nun liefen die Ausflügler nicht mehr nur durch den Wald, sondern bewunderten die schönen Häuser und die neu angelegten Brücken und Seen. Die Gebäude variierten – prächtige Häuser, die Schlössern ähnelten waren genauso dabei wie unauffällige Einfamilienhäuser. Wichtig war nur, dass die Häuser nicht höher als drei Geschosse gebaut werden durften, an jeder Seite Fassaden hatten und ein Abstand von mindestens acht Metern zwischen zwei Gebäuden einzuhalten war. Außerdem waren mindestens vier Meter breite Vorgärten laut Ortsstatut obligatorisch. Die Kolonie erhielt den Status einer selbständigen Landgemeinde, den sie erst 1920 im Zuge der Eingemeindung nach Groß-Berlin verlor.

Prominente Bewohner

Viele bekannte Persönlichkeiten lebten in Grunewald, darunter der Kritiker Alfred Kerr, dessen Tochter Judith die Flucht aus Deutschland in dem Buch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ festhielt, die Tänzerin Isadora Duncan und der Chirurg Ferdinand Sauerbruch. Das kulturelle Leben, aber auch die soziale Verantwortung hatten einen hohen Stellenwert. Es gab Wohltätigkeitskonzerte und in Salons traf sich die High Society mit Intellektuellen. In Grunewald hatten auch sehr viele wohlhabende Juden Häuser gebaut, wie Franz von Mendelssohn mit seinem Palais.

Mit dem Zweiten Weltkrieg, in dem viele Juden ermordet wurden oder emigriert waren, kam auch das gesellschaftliche Leben in Grunewald zum Erliegen. Nach Kriegsende veränderte sich die Villenkolonie. Grundstücke wurden geteilt und insbesondere in 1950er- und 60er-Jahren mit weniger attraktiven Flachbauten zusätzlich bebaut. Erst in den 1980er-Jahren setzte ein Umdenken ein und alte Villen wurden denkmalschutzgerecht restauriert. So konnte ein Teil der früheren Pracht erhalten bleiben, der mit dazu beiträgt, dass Grunewald bis heute ein ganz besonderes Wohngebiet ist.

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