Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Juni 2019
Nur zehn U-Bahn-Minuten vom Mehringdamm entfernt liegt die Galerie im Tempelhof Museum. Der kommunale Kunstraum ist in einem denkmalgeschützten Gründerzeitbau untergebracht, der im 19. Jahrhundert als Schulhaus von Mariendorf genutzt wurde. Heute wird an diesem Ort zeitgenössische Kunst auf hohem Niveau ausgestellt, was von der lebendigen Kultur in den Berliner Quartieren zeugt. Seit 28. März zeigt hier Christina Paetsch ihre Arbeiten aus den Bereichen Fotografie, Installation und Video.
In der Mitte des Ausstellungsraumes dominiert ein Turm aus Kühlschränken. Darin befinden sich Lebensmittel, darunter Schokoküsse und Marshmellows, deren klebrige, zuckrige Fülle aus dem Schrank quillt. Zwei Videos lassen in der Absurdität der dargestellten Inhalte – wie beispielsweise Torten duschen – an dadaistische Ursprünge denken. Sie unterstreichen die Thematik, die Christina Paetsch hier bearbeitet: Umgang mit Ressourcen. An den Wänden präsentiert die Künstlerin surrealistisch anmutende fotografische Kompositionen im Spannungsfeld von Schönheit und Ekel, Natur und Künstlichkeit. Sie bestechen durch ihre farbige Plastizität und scheinen direkt den archetypischen Dimensionen des Unterbewusstseins entsprungen zu sein.
Christina Paetsch arbeitet mit Fotografie und lotet zugleich die Grenzen des Mediums aus. Sie erstellt Einzelaufnahmen von Alltagsobjekten, aus denen sie ihre Stillleben collagiert. In diesem transformatorischen Prozess sind fantastische Werke entstanden, die in ihrer hohen ästhetischen Qualität auch in den Hochglanzmagazin der Mode- und Werbewelt bestehen würden – wären da nicht verstörende, skurrile Elemente im Bild. Die Dinge sind nicht so, wie sie zu sein scheinen. Paetsch stellt unsere Sehgewohnheiten auf die Probe.
Ob gefundene Dinge des Alltags, der Botanik oder der Lebensmittelindustrie, sie sind Zeugnisse unseres Umgangs mit uns und unserer Umwelt. Christina Paetsch beschäftigt sich in ihren gezielt inszenierten Werken mit Wahrnehmungsprozessen in unserer Gesellschaft und den großen Fragestellungen des post-industriellen Zeitalters, darunter Konsumverhalten, Schönheitsideale, Überproduktion, Klimawandel und Globalisierung auf sozialer Ebene. Kunst bezieht Stellung.
Christina Paetsch (*1963, Berlin) schloss ihr Studium der Bildenden Kunst an der Hochschule der Künste Berlin als Meisterschüler ab. Ihre Arbeit wurde vielfach gefördert und ausgezeichnet, u. a. durch Künstlerresidencies (Mexico-City, Guatemala, Bangkok, Amsterdam), die Berliner Kulturverwaltung, das Goldrauch Künstlerinnenprojekt, das Arbeitsstipendium „Rosa Reiter“ in Gstaad, das Stipendium der Käthe-Dorsch-Stiftung, die Nominierung zum Gabriele Münter Preis. Die Künstlerin hat zahlreiche Ausstellungen und auch kuratorische Projekte realisiert. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit einem Text von Christoph Tannert.
Die Ausstellung ist bis zum 12. Juni 2019 im Tempelhof Museum, Alt-Mariendorf 43, zu sehen. Geöffnet ist Montag bis Donnerstag 10 – 18 Uhr, Freitag 10 – 14 Uhr und Sonntag 11 – 15 Uhr. Der Eintritt ist frei. Weitere Infos: www.christina-paetsch.de
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