Erschienen in Lankwitz Journal August/September 2019
„MiK ist: Wenn zwei Kinder sich streiten, hilft ein anderes Kind, dass sie sich wieder vertragen“, erklärt der fünfjährige Felix das Projekt des Mittelhof e. V. „MiK – Mediation in Kita “.
2015 startete das aus Mittelhof-Budget finanzierte und durch das Deutsche Kinderhilfswerk finanziell geförderte Pilot-Projekt. Auf Augenhöhe mit kleinen Kita-Leuten, hilft es ihnen, Brücken zu bauen, mit Konflikten zu wachsen und daraus für´s Leben zu lernen.
Streiten und Konflikte zu lösen, gehört zum Leben dazu, auch im Kita-Alltag. Doch wichtig ist, wie gestritten wird und auf welche Art Konflikte gelöst werden, um daraus bereits als Kita-Kind ein stärkeres Selbstbewusstsein für das Erwachsensein entwickeln zu können.
Kinder in jungen Jahren dorthin zu führen, dass sie selbst einen Weg zu einer akzeptablen Lösung aus dem Streit heraus finden, ist das Ziel des MiK-Projektes. Damit erfüllt der Mittelhof einen wichtigen Bildungsauftrag: Es weist Erwachsenen von morgen den Weg, zum selbstbewussten sozialen Mitglied unserer demokratischen Gesellschaft zu werden; einer Gesellschaft, die einer zunehmenden Bedrohung durch Mobbing und Diskriminierung ausgesetzt ist.
Bis 2020 soll das Konzept zur Mediation (= aussöhnende Vermittlung) in den 13 Mittelhof-Kitas im Bezirk Steglitz-Zehlendorf sowie der in Charlottenburg-Wilmersdorf gelegenen Kita Anwendung finden. Auch in der vom Mittelhof geleiteten und von der Gerhard-Jaeck Stiftung mitfinanzierten Tagespflege-Einrichtung für geflüchtete Kinder wird MiK zukünftig umgesetzt werden.
Entwickelt wurde MiK von einem Team pädagogischer Fachkräfte und ausgebildeter Mediatoren des Mittelhof e. V.,Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe.
Alle Beteiligten – Kita-Kinder, Eltern und Erzieher – bezieht das Projekt ein, das in zwei Mittelhof-Pilot-Kitas in Berlin-Zehlendorf startete: „Die Kobolde“ und „Montessori-Kinderhaus Königskinder“ waren die ersten, die lernten, ihren Standpunkt mit Worten zu vertreten, ohne zu schreien oder zu schlagen. Die erfolgte Evaluation mit Elternumfrage nach einem Jahr brachte ein durchweg positives Ergebnis: Die Kinder zeigten bereits nach kurzer Zeit ein verändertes Streitverhalten innerhalb der Kita, aber auch bei Konflikten im häuslichen Bereich. Da bekamen Eltern dann von ihrem fünfjährigen Sprössling schon mal zu hören: „Setzt euch doch mal hin und redet, wer eigentlich was will! Ihr hört euch ja gar nicht zu!“
Und manches Kita-Kind hat erreicht, dass die Eltern sich bei drohendem Streit nun in die dazu bestimmte Konfliktecke auf dem Sofa zurückziehen und im gemeinsamen Gespräch eine Lösung suchen.
Grund genug für Projektkoordinatorin Gabriele Maierski und ihr Team, MiK weiter voran und in Vorbildfunktion an alle Kitas des Mittelhof e. V. zu bringen.
Da jede Kita etwas anders aufgestellt ist, jedes Haus andere Voraussetzungen liefert, werde das praxisorientierte Projekt-Konzept individuell angepasst umgesetzt, erklärt die Projektkoordinatorin. Regelmäßige Workshops, Fortbildungsveranstaltungen und Treffen mit Fachkräften und Eltern sorgen dafür, dass alle Beteiligten auf demselben Projekt-Stand und über die Projekt(fort)schritte informiert sind.
Die Mediation in der Kita findet in einem speziell dafür eingerichteten geschützten Raum statt. Das kann eine Kuschelecke, eine Redebank oder eine Wüterich-Höhle sein, immer aber eine Ruhezone, die bei Konflikten aufgesucht werden kann. Zur Ausstattung einer Mediationsecke gehören haptisch und visuell erfassbare Materialien wie u. a. Kuschelmonster mit jeweils traurigem, wütendem oder ängstlichem Gesichtsausdruck, themenbezogene Bilderbücher und Bilder. Ein sogenannter MiK-Medienkoffer in Form einer besonderen Projektbroschüre unterstützt die pädagogischen Fachkräfte in ihrer Projekt-Arbeit mit den Kindern.
Eine wichtige Rolle beim Streiten spielen negative Gefühle. Was fühle ich, dass ich meinem Gegenüber an den Haaren reißen oder es schlagen möchte?
In einem ersten Schritt, in dem das Projekt Zugang zu den Kids findet, lernen die kleinen Leute, ihr Inneres, ihre negativen Empfindungen zum Ausdruck zu bringen: Trauer, Zorn, Wut, Angst, Eifersucht und Frustration – das alles kann nicht nur bei Kindern zu Hilflosigkeit führen, die dann in offener Aggression gipfelt.
„Denn Kita-Kinder können Empfindungen wie Wut, Eifersucht oder Frustration oft noch gar nicht erklären“, sagt Gabriele Maierski.
Mit MiK lernen die Kinder mithilfe speziell entwickelter Spiele und Lieder, ihre Gefühle zu erkennen, zu verstehen und schließlich angemessen auszudrücken, bzw. darüber zu sprechen.
So fährt ein vom Mittelhof entwickelter „symbolischer“ MiK-Zug dampfend über die fünf Streit-Stationen bis zur Lösung: Blitzt und donnert es an der ersten Station noch, lässt das Gewitter bereits an der nächsten Station nach, an der jeder seine Sicht des Streites schildern kann. An der dritten noch wolkenverhangenen Station kommen Gefühle und Bedürfnisse der Streithähne zur Sprache. Und an der vierten zeigt sich bei der Suche nach Lösungen bereits das erste Mal schüchtern die Sonne. Eitel-Sonnenschein schließlich an der fünften und letzten Station: Man ist sich wieder einig und jeder zufrieden.
Zuerst in der Kita, später auch daheim oder unterwegs: Ein Ruhevers hilft, bei Ärger zu entspannen, Raufen nach Regeln steht auf dem Plan, Lichtmeditation bringt Stimmung, und „Mutmach-Tricks“ schaffen Selbstvertrauen. Dadurch werden schließlich positive Gefühle wie Freude, Mut und Zufriedenheit gestärkt. Die eigene Meinung soll vertreten, doch anderen auch Respekt und Wertschätzung entgegengebracht und empathisch begegnet werden. Am erreichten Projekt-Ziel stehen gestärkte Kinder, die sich für ihre eigenen Interessen, aber auch für die anderer einsetzen. Schon im Kita-Alter zeigen sich da unterschiedliche Stärken, wie die Projektkoordinatorin weiß: „Manche Kinder eignen sich in diesem Alter bereits gut zum Schlichten:“ Bei den Lösungsgesprächen zu auftretenden Konflikten sind jedoch Lösungsvorschläge aller Kita-Kinder willkommen.
Eines vergisst das MiK-Projekt nie: Im Mittelpunkt steht das Kind mit seinen Interessen, Bedürfnissen und Kompetenzen. Jedoch nicht vereinzelt, sondern eingebunden in das System Familie, in Kita, Gruppe und Sozialraum. So endet MiK – wie die anderen Mittelhof-Projekte auch – nicht an der Kita-Tür, sondern ist ebenso an den sozialen und familiären Kontext der Kinder adressiert.
MiK als hervorragendes Beispiel, von klein auf voneinander zu lernen: der Mittelhof e. V. wünscht sich, dass diese erfolgreiche Methode im Bezirksamt Wahrnehmung erfährt und verstärkt Schule macht.
Schulkooperationen und Kooperationen mit der evangelischen Hochschule in Berlin-Zehlendorf sind bereits angelaufen, demnächst wird ein Masterstudent seine Facharbeit über das MiK-Projektthema schreiben. Und auch andere Träger als der Mittelhof zeigen Interesse an MiK.
Und etwas verrät Gabriele Maierski noch: Um zu Mittelhof-Projekten wie MiK umfangreiches Informationsmaterial und Fachliteratur seinen pädagogischen Fachkräften an einem Ort übersichtlich präsentieren zu können, wird derzeit unter Einbeziehung der Kollegen in der Zehlendorfer Villa Mittelhof eine Präsenzbibliothek eingerichtet.
Jacqueline Lorenz
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