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125 Jahre Berliner Ruderclub „Welle Poseidon“

Sportler mit Toleranz und Menschlichkeit in finsteren Zeiten

Achter auf dem Weg zur Kanuscheune. Foto „Welle-Poseidon“ e. V.
Achter auf dem Weg zur Kanuscheune. Foto „Welle-Poseidon“ e. V.
Erschienen in Wannsee Journal August/September 2019
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Als 1894 schnelle Ruderer lautlos durch die Dahme bei Grünau glitten, waren die Mitglieder des frisch gegründeten Ruderclubs Welle bereits mit ihren Booten dabei. Im Jahr 1906 fusionierte der Club mit dem 1896 gegründeten Berliner Ruder-Club Poseidon und wurde zum Berliner Ruderclub „Welle-Poseidon“ e. V. Der als Arbeiterverein gegründete Ruderclub mit Bootshaus an der Regattastraße in Grünau wurde mit der Zeit mehr und mehr gutbürgerlich. Aufgenommen wurden unbescholtene Männer, ohne Rücksicht auf Politik und Konfession. Das führte zum einen dazu, dass Frauen – die in Arbeitervereinen willkommen waren – hier keine Mitglieder werden durften. Andererseits traten viele jüdische Mitglieder in den Verein ein, die schon vor dem Ersten Weltkrieg mit einer antisemitischen Haltung in deutschen Vereinen zu kämpfen hatten. Der Verein trat 1913 dem Deutschen Ruderverband (DRV) bei, der zu dieser Zeit keine Arbeiterrudervereine aufnahm.

Ein jüdischer Club

1933 begannen dunkle Zeiten, auch für Welle-Poseidon. Vereine, die ihre jüdischen Mitglieder nicht zum Austritt nötigten, wurden aus dem Dachverband ausgeschlossen. Vor diesem Problem stand auch Welle-Poseidon, der viele jüdische Mitglieder hatte. Doch anstatt sie auszuschließen oder ihnen den Austritt nahezulegen, traten die nichtjüdischen Mitglieder aus dem Verein aus. So ermöglichten sie es den jüdischen Vereinskameraden, weiter zu rudern. Mit der Mitgliedschaft des Vereins im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten konnten sie an Regatten jüdischer Vereine teilnehmen. Im Nationalsozialismus kamen auch die ersten Mädchen in den Verein – durch eine Kooperation mit der jüdischen Privatschule von Toni Lesser im Grunewald, die eine Schülermannschaft zusammenstellten. In dieser Mannschaft waren sowohl Jungen als auch Mädchen. Die Vereinsmitglieder waren Schikanen ausgesetzt – so mussten sie ein Sommerlager am Großen Lychener See auf Druck des dortigen Ortsgruppenleiters auflösen. Der Verein wurde gezwungen, sein Bootshaus in der Regattastraße in Grünau aufzugeben und ein weit weniger wertvolles auf der Bullenbruchinsel zu übernehmen. Dort wurde der Verein 1943 enteignet. Viele Mitglieder flohen wegen der Schikanen ins Ausland, andere fielen dem Terror des Regimes zum Opfer.

Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach Kriegsende kam es zur Neugründung. Aufgrund der politischen Lage zog der Club von Rummelsburg erst nach Spandau, dann zum Kleinen Wannsee 6. Zunächst wurden wieder ausschließlich Männer als aktive Mitglieder aufgenommen. Frauen durften allenfalls Fördermitglieder werden. 1962 erfolgte der Umzug zum heutigen Standort, dem Großen Wannsee 46a. 1974 beschloss der Vorstand, auch Frauen als aktive Mitglieder aufzunehmen. Der Club wuchs und wuchs – dazu trug auch die 1982 gegründete Segelabteilung bei. Denn um an Regatten teilzunehmen, war eine Segelabteilung vorgeschrieben. 1984 feierte Welle-Poseidon den 90. Geburtstag – mit vielen Mitgliedern, die im Ausland lebten, aber den Kontakt zu ihrem Club nie abreißen ließen.

Nachwendezeiten

Nach der Wende bekam der Club das Grundstück an der Regattastraße 25 wieder zugesprochen. Dort war mittlerweile der Ruderverein Empor ansässig, zu dem Welle-Poseidon schon zu Mauerzeiten freundschaftliche Beziehungen pflegte. Das Grundstück wurde an Empor verpachtet. 2008 kaufte Welle-Poseidon das bisher gepachtete Grundstück am Großen Wannsee, Empor kaufte das Grundstück in Grünau ein Jahr später. Dass Toleranz, Menschlichkeit und Mut der Vergangenheit nicht vergessen sind, daran erinnert ein Schild neben dem Eingang zum Berliner Ruderclub Welle-Poseidon: „„Im Gedenken an die jüdischen Mitglieder, die durch den nationalsozialistischen Terror umgebracht oder zur Auswanderung gezwungen wurden. Der Verein fand damals seinen Weg des Widerstandes – Verpflichtung zu Toleranz und Menschlichkeit heute.“

Segeln, Wanderrudern, Ruderwettkämpfe, Fitness und mehr – für Erwachsene, Jugendliche und Kinder bietet der Club ein vielseitiges Angebot. Wer den Club kennenlernen möchte, ist zum Schnupperrudern herzlich eingeladen.

Berliner Ruderclub „Welle-Poseidon“ e. V.

Am Großen Wannsee 46a
14109 Berlin

www.welle-poseidon.de

Titelbild

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