Erschienen in Zehlendorf Mitte Journal Oktober/November 2019
Von der historischen Verbindung ins königliche Jagdrevier über die Kulisse zum Agentenaustausch bis zum Symbol der Einheit – die Glienicker Brücke hatte im Laufe ihrer Geschichte viele Gesichter.
Eine besondere Rolle spielte die Verbindung zwischen Berlin und Potsdam in der Zeit des Mauerfalls. Allerdings war am 9. November 1989 noch nichts davon zu merken, die DDR-Bürger, die den Westteil Berlins besuchen wollten, wurden in dieser Nacht an andere Grenzübergänge verwiesen. Erst am 10. November um 18 Uhr konnte die Glienicker Brücke überquert werden. Die Passanten mussten viel Geduld beweisen, durch den hohen Andrang dauerte es bis zu 1,5 Stunden, bis die Brücke passiert werden konnte. Zunächst ging es aufgrund der Massen nur in eine Richtung, doch bereits am 12. November fuhr der erste BVG-Bus über die Glienicker Brücke. Etwa zwei Monate später – am 18. Januar 1990 begann der Abbau der Grenzanlagen an der Glienicker Brücke und im April beseitigte man die Wassergrenzen.
Die Brücke in ihrer heutigen Form wurde 1907 eingeweiht. Dabei wurde die Große Neugierte um etwa zehn Meter in die nördliche Richtung versetzt. Sie wurde erhöht und mit einer Treppe ergänzt. Sie büßte wichtige schmückende Elemente ein, die damals neu hergestellten Terrakottasäulen hatten einfachere Formen als ihre Vorgängerinnen. In den 1920er-Jahren war die Königstraße als Verbindung zwischen Berlin und Potsdam eine der meistbefahrenen Straßen in Deutschland – entsprechend hoch waren die Belastungen für das Bauwerk. Während des Nationalsozialismus erfolgten Ausbesserungsarbeiten im Rahmen der ABM-Maßnahmen. Der Ausbau der Autobahn und des Berliner Rings entlastete die B1 (damals R1) und die Glienicker Brücke ein wenig. 1938 wurden sowohl die Königstraße als auch die Glienicker Brücke verbreitert. Im Zweiten Weltkrieg blieb die Brücke lange unversehrt. Kurz vor Kriegsende sprengte die Wehrmacht die Brückenpfeiler, um die alliierten Streitkräfte aufzuhalten. Erst im Dezember 1949 war die Brücke wieder intakt und wurde feierlich als „Brücke der Einheit“ eingeweiht. Mit der Einheit war allerdings 1952 erstmal wieder Schluss. Mit der Unterzeichnung des Deutschlandvertrags zwischen den drei Westalliierten und der Bundesrepublik Deutschland wurden 150 von 170 Zugängen zwischen Berlin (West) und der DDR geschlossen, darunter auch die Glienicker Brücke. Nun konnten nur noch Angehörige der Alliierten und Reisende mit Ausnahmegenehmigung die Brücke überqueren. Ab 1959 wurde im Dezember ein Weihnachtsbaum auf der Berliner Seite der Brücke aufgestellt, um den Menschen auf der anderen Seite zu zeigen, dass sie nicht vergessen werden.
Ab und zu stand die Glienicker Brücke im Rampenlicht der Welt. Immer dann, wenn die Mächte aus Ost und West hier ihre Agenten austauschten. Die ersten Agenten waren Francis Gary Powers und Oberst Rudolf Iwanowitsch Abel im Jahr 1962. Letzterer wurde bei seinem Prozess in den USA von seinem Verteidiger vor dem elektrischen Stuhl bewahrt – mit dem Argument, dass der lebende Spion noch nützlich sein könnte. Der letzte Austausch von Spionen fand 1986 statt. Insgesamt wechselten so 40 Menschen „die Seiten“. 1988 flohen drei Potsdamer über die Glienicker Brücke in den Westteil Berlins. Mit einem Lkw rammten sie das Tor auf der Brücke, das dem Ansturm von 5,5 Tonnen nicht gewachsen war und waren so schnell auf der Königstraße. Fast 18 Monate später war die Glienicker Brücke wieder ein freier Übergang zwischen Ost und West.
2019 jährt sich der Fall der Mauer zum 30. Mal. Aus diesem Anlass gibt es mehrere Veranstaltungen. 9. November, 14 bis 21 Uhr: Festveranstaltung anlässlich des 30. Jahrestag des Mauerfalls. Gemeinsame Veranstaltung des Bezirks Steglitz-Zehlendorf, der Stadt Teltow sowie der Gemeinden Stahnsdorf und Kleinmachnow. Ort: Zeppelinufer/Teltow. Der Eintritt ist frei.
10. November ab 10 Uhr: Fotoausstellung „Rund um die Glienicker Brücke vor und nach 1989“. Ab 11 Uhr findet im Schloss Glienicke eine festliche Matinee des Bezirks Steglitz-Zehlendorf, der Landeshauptstadt Potsdam und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg statt. Es gibt einen Vortrag zur Geschichte der Brücke, Zeitzeugengespräche, eine Filmvorführung und ein musikalisches Programm. Ab 13.30 Uhr wird an der Nike 89 an die Ereignisse vor 30 Jahren erinnert und der Opfer gedacht. Im Anschluss sind um 14 Uhr kostenfreie Führungen entlang der ehemaligen Mauer und in Klein-Glienicke geplant.Videoinstallationen mit historischem Filmmaterial von Jens Arndt beginnen um 16 Uhr an beiden Seiten der Brücke. Ab 17.45 Uhr sind „Begegnung und historische Erinnerung“ auf der illuminierten Brücke geplant. Dazu wird die Brücke für den Verkehr gesperrt. Den Abschluss bildet das gemeinsame Singen der Europahymne „Ode an die Freude“. unterstützt von Schulchören.
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