Erschienen in Gazette Steglitz November 2019
Was Anfang des 20. Jahrhunderts eher aus einer Notsituation heraus entstanden war, wurde längst zum lieb gewordenen Erbe. – Doch der private Ferdinandmarkt unter Glasdach hat seine eigentlichen Wurzeln auf dem Kranoldplatz, und dorthin, unter freien Himmel, könnte der Markt aus der Halle auch wieder zurückkehren, wenn Investor Harald Huth seine Pläne für sein Grundstück an der Ferdinandstraße in die Tat umsetzt: Mehr Praxen und Büros statt privater Marktstände.
Um 1910 hatte Marktgründer Albert Marks seine Stände nach Ablauf seines Pachtvertrages vom Kranoldplatz auf das 1.500 Quadratmeter große Nachbargrundstück an der Ferdinandstraße verlegen müssen, da der städtische Markt auf dem Kranoldplatz von nun an von eigenem Marktmeister betreut wurde.
Der private Ferdinandmarkt in direkter Nachbarschaft zu diesem städtischen Wochenmarkt konnte von Marks über viele geschichtsbedingte Hürden gerettet werden, bis im Jahr 1948 sein Enkel Walter Degenhardt die Leitung des Privatmarktes übernahm.
Nun könnte sich der Kreis für den Ferdinandmarkt schließen – auch wenn traditionsliebende Anwohner, Marktbesucher und Gewerbetreibende neuen, zeitgemäßen Wegen eher skeptisch entgegensehen und die gewohnten Verhältnisse im Ensemble rund um den Platz erhalten sehen möchten.
Mit Investor Harald Huth, Bezirksvertretern und Fachleuten aus Handel und Industrie trafen sie im September auf der gut besuchten Informationsveranstaltung zur Zukunft des Ferdinandmarktes in der Aula der Grundschule unter den Kastanien zusammen. Eingeladen hatte Bezirksbürgermeisterin und passionierte Marktnutzerin Cerstin Richter-Kotowski gemeinsam mit der bezirklichen, für die Wochenmärkte zuständigen Wirtschaftsförderung .
Seit Anfang 2018 ist Harald Huth mit seiner HGHI Holding GmbH Besitzer des Gebäudes an der Ferdinandstraße 31-35, in dem der private Ferdinandmarkt konstituiert ist. Außerdem gehören ihm auf der Bahnhofsseite am Kranoldplatz die Laden- und Wohnanlage sowie das Stellwerk-Gebäude, aus dem das Stellwerk bereits ausgezogen war, bevor Huth es kaufte.
Sie sei generell nicht gegen Veränderungen, aber „die Lebendigkeit und Kleinteiligkeit am Kranoldplatz sollen erhalten bleiben“, erklärte Cerstin Richter-Kotowski zu Beginn und bekam dafür deutlichen Beifall. Sie ließ aber auch durchblicken, dass der Einzelhandel vor Ort nur eine Chance habe, wenn das Kaufverhalten sich ändere: „Nutzen Sie die Geschäfte nicht nur zur Information, um dann doch im Internet zu kaufen, sondern kaufen sie wieder mehr vor Ort“, riet sie Käufern eindringlich. Diese Kaufentwicklung hin zum Online-Handel dürfte mit dazu beitragen, dass auch Geschäfte am Kranoldplatz aufgeben müssen. Niedrige Umsätze, unzufriedene Mieter und Leerstand bedrohen die Attraktivität und den besonderen Charme des Kranold-Kiezes. Jüngere Nachmieter sind derzeit kaum zu finden, bestätigte Harald Huth.
Der Investor versicherte, dass es aber gerade dieser besondere Charme und die Lebendigkeit rund um den Kranoldplatz seien, die ihn zur Investition in dieses Areal bewogen hätten: „Ich glaube an dessen Struktur und Zukunft.“
Seine Absicht sei es, eine Verbesserung herbeizuführen, hin zu mehr Sichtbarmachung der vorhandenen Ladengeschäfte, die eher versteckt unter dem Glasdach des Ferdinandmarktes liegen. Waren des täglichen Bedarfs sollen hier angeboten werden, die eine längerfristige Vermietung der Läden mit sich bringen.
Mit Schließung des Daches könnten zusätzliche 500 Quadratmeter Fläche entstehen für weitere Praxis- und Büroräume. Die Marktstände des Privatmarktes könne er sich integriert in den Kranoldplatz-Wochenmarkt vorstellen. Dafür bedürfe es einer Neustrukturierung des Marktes, mit einheitlichen Ständen, hin zu mehr Attraktivität. Aufgeschlossen zeigte sich der Investor für zusätzliche Baumanpflanzungen auf dem Platz. Doch noch gäbe es keinen Bauantrag für seine Vorhaben. Vielmehr habe er eine Bauvoranfrage beim Bezirk gestellt, um zu erfahren, welche baulichen Veränderungs- und Erweiterungmöglichkeiten für ihn bestehen.
Auch er sehe durchaus, dass der Einzelhandel in Nöten ist. Jörg Nolte von der IHK erklärte, dass durch den aktuellen Mangel an Gewerbeflächen die Mieten für Büroflächen steigen. – Eine gesamtstädtische Situation. Huth sieht dadurch gute Entwicklungsmöglichlkeiten für neue Büroflächen: Da Berlin en Vogue ist, gibt es kaum noch freie Gewerbeflächen in der Innenstadt. Lichterfelde biete da mit seinen geplanten zusätzlichen Büroflächen reizvolle Alternativen.
In der offenen Fragerunde zeigte Rainer Frohloff, Gründer der WebKiez GmbH und aktiver Vorantreiber des Unternehmerforums LiLa (Lichterfelde-Lankwitz), wenig Verständnis für die Pläne des Investors zur Schaffung zusätzlicher Gewerbefläche am Ferdinandmarkt: Der bereits bestehende Leerstand von Geschäften spreche deutlich dagegen. Doch dem will Huth mit innovativer Flächenstrukturierung entgegenwirken.
Weitere Kritiker an seinen Plänen wies Huth in die Schranken: Es sei schließlich seine Sache, wie er als Besitzer und privater Anleger seine Häuser attraktiver mache. Am Kranoldplatz sehe er sein Geld „gut angelegt“. Er sei stets bereit, mit Mietern zu kommunizieren – doch die Öffentlichkeit in seine geschäftlichen Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen, ginge viel zu weit.
Mit dem Treffen konnten durch die gebotene Transparenz zumindest einige Gerüchte ausgeräumt werden. Es wurde aber auch klar, dass dem Traditions-Format Ferdinandmarkt eine deutliche Überholung bevorsteht, der man weniger mit Furcht als mit Neugier entgegensehen kann. – Das zeigte auch der Applaus, mit dem Harald Huth vom Publikum nach der Informationsveranstaltung verabschiedet wurde.
Zum Thema Kranoldplatz hat der Bezirk eine weitere Veranstaltung für März nächsten Jahres geplant.
Jacqueline Lorenz
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