Erschienen in Lankwitz Journal Dezember/Januar 2019
SIE sind schon älter und gesundheitlich angeschlagen, alleinerziehend oder einfach „nur“ einsam: Menschen im Berliner Südwesten, wo der demographische Wandel besonders spürbar wird.
ER ist bekannt dafür, geeignete Lösungen zur Deckung der vielfältigen Bedarfe zu liefern, die in unserer Gesellschaft bestehen: Der traditionsreiche Mittelhof e. V. engagiert sich seit über 70 Jahren als einer der größten Träger des Berliner Südwestens mit inzwischen über 500 Mitarbeitern und 350 Ehrenamtlichen an über 30 Standorten für Bildung, Kultur und Betreuung, aber auch für bürgerschaftliches Engagement, Selbsthilfe und Ehrenamt.
Mit seinem Projekt Nachbarschaftshilfe Steglitz-Zehlendorf will er sich nun für Menschen mit Unterstützungsbedarf im Bezirk stark machen und bringt behutsam Unterstützende und Suchende zueinander.
Neue Kontaktadresse seit dem Sommer ist der Nachbarschaftsladen mit Büro in der Berlinickestraße 9 in Steglitz, verkehrsgünstig nahe S-Bahnhof Steglitz gelegen und somit auch für Zehlendorfer gut erreichbar.
Bezirksstadtrat Frank Mückisch und Markus Schönbauer eröffneten im September offiziell die Anlaufstelle, an ihrer Seite die Ansprechpartnerinnen Nina Karbe, Sozialpädagogin, und Nora Buncsak, Sozialarbeiterin. Seit April ist Sozialpädagoge Schönbauer neuer Geschäftsführer des Mittelhof e. V. und damit Nachfolger von Ingrid Alberding.
Initiator des Projektes „Nachbarschaftshilfe füreinander nah“ ist Gerald Saathoff, Leiter des Stadtteilzentrum Villa Mittelhof. Er folgte einer Ausschreibung der Unternehmerin Susanne Klatten, in der 100 Millionen Euro der Scala-Initiative besondere Projekte suchten. 900 Projekte bewarben sich, 95 Projekte bekamen die Förderung, darunter das Nachbarschaftshilfe-Modell des Mittelhof e. V., das nun für die kommenden drei Jahre dafür eine Fördersumme in Höhe von 450.000 Euro erhält.
„Ein Glücksfall“, freute sich nicht nur Gerald Saathoff am Eröffnungstag. Markus Schönbauer erklärt dazu: „Mit Hilfe der Scala-Initiative wollen wir eine lebendige Nachbarschaft gestalten, den Menschen eine Plattform geben, sich für andere einzusetzen.“ Es sei wichtig, dass das während der drei kommenden Jahre fest geknüpftes Netzwerk sich danach nicht wieder auflöse. Vielmehr müsse man schon jetzt als Träger an der Sicherung einer Anschlussförderung arbeiten, um die Projektzukunft zu sichern.
Bezirksstadtrat Mückisch hob in seinem Grußwort hervor, wie sehr er in Zeiten der Digitalisierung dieses Projekt schätze, da der Nachbarschaftsladen „analoge“ Angebote vorlege – für eine lebendige Nachbarschaft.
Die anwesenden Gäste, darunter Senioren- und BVV-Vertreter sowie Anwohner und Nachbarn, aber auch Magaly Schmuck von der DRK-Kiezoase gleich um die Ecke, waren sich einig: Klar ist, dass der demographische Wandel die Gesellschaft ändert, – aber auch wir müssen uns ändern.
Von der Straße barrierearm über eine Rampe erreichbar, können Unterstützung Suchende und Anbietende in zwei hellen freundlichen Räumen zueinander finden. Es gibt eine Küche, eine Diele und eine Toilette, und am runden Tisch lässt es sich gut reden. Ziel der Einrichtung ist es, Angebot und Nachfrage im Bezirk zu ermitteln, Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, sich in sicherem Umfeld kennenzulernen und Vertrauen zueinander aufzubauen.
Da ist die alleinerziehende Mutter ohne Familie, die hier eine „Nenn-Oma“ für ihr Töchterchen sucht, oder die ältere Dame, die unsicher läuft, sobald die Einkaufstasche etwas schwerer geworden ist. Und da ist die Rentnerin, deren Enkel im Ausland leben und die zu gerne in ihrer direkten Umgebung etwas Oma-Feeling verbreiten würde, oder der ältere Witwer, der zwar sicher auf den Beinen, aber unsicher beim Einkauf von Lebensmitteln ist und dafür gerne eine kundige Begleitung an seiner Seite wüsste. Deren Einkauftasche würde selbstverständlich dann er tragen. – Sie alle können hier im Laden unter sozialkompetenter Begleitung und Vorbereitung ihren Weg zueinander finden, um Unterstützung fragen oder ihr Engagement anbieten.
Auf 30 Unterstützende und 35 zu Unterstützende, die sich in den vergangenen Tagen gemeldet hatten, konnte die Nachbarschaftshilfe bereits vor dem Eröffnungstag zurückgreifen, wie Nina Karbe erklärt.
Dazu zählt auch Hartmut Stüwe von nebenan. Am Eröffnungstag trinkt er zufrieden seinen Kaffee im Nachbarschaftsbüro, während seine Gesprächspartnerin fröhlich am Sekt nippt. „Das Leben ist kurz, doch die Kunst ist lang“, ist nicht nur Goethes, sondern auch sein Motto.
Hartmut Stüwe gehört von Anfang an zu den Unterstützenden. „Ich will mit kleinen Sachen Gutes tun. Das hier ist ein ganz tolles Projekt“, erklärt er, der sich selbst als extrem optimistischer Menschenfreund bezeichnet. Er ist belesen, nicht nur mit Goethe, sondern auch mit Stiftung Warentest-Berichten, textsicher und kunstinteressiert. Sein Wissen möchte er weitergeben, außerdem kennt er sich mit den heimischen Ärzten gut aus und bietet daher seine Begleitung zu Arztbesuchen. Zugführer war Stüwe, aber auch Referent für Umwelt und Natur, und überhaupt hat er viel zu erzählen, was nur eines passenden Zuhörers bedarf. Und den dürfte er hier bei der Nachbarschaftshilfe Steglitz-Zehlendorf schon bald gefunden haben.
Jacqueline Lorenz
Nachbarschaftsladen
Berlinickestraße 9
12165 Berlin-SteglitzTelefon: 030 – 27 97 97 27
nachbarschaftshilfe@mittelhof.org
www.mittelhof.orgSprechzeiten:
Mo, Mi 10-12 Uhr und Do 15-18 Uhr
In den Schulferien bitte Termin vereinbaren
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