Gazette Verbrauchermagazin

Mit Bubi und Pauli den Wald schonen

Pferdestärke im Einsatz

Pauli, Lisa, Bubi und Friederike betreiben nachhaltige Waldpflege (v.l.n.r.).
Pauli, Lisa, Bubi und Friederike betreiben nachhaltige Waldpflege (v.l.n.r.).
Erschienen in Nikolassee & Schlachtensee Journal August/September 2024
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Für die beiden Süddeutschen Kaltblüter Bubi und Pauli in der Revierförsterei Dreilinden (Forstamt Grunewald) beginnt der Arbeitstag um 8 Uhr. Bevor es mit dem Pferdetransporter um 9 Uhr zum Einsatz in den Wald des 1.100 Hektar großen Revier Dreilinden geht, schirren ihre beiden Gespannführerinnen Friederike und Lisa sie auf und sehen dabei gleich, wie die Beiden aktuell drauf sind, ob ihnen nichts fehlt und ob sie „arbeitsbereit“ sind. Dabei sind die jungen Frauen auch an Sonn- und Feiertagen für die Pflege und Fütterung ihrer vierbeinigen Arbeitskollegen zuständig und sorgen nur zu gerne dafür, dass ihre tierischen Kollegen und vierbeinigen Freunde ausreichend Heu und Mineralfutter bekommen sowie reichlich Streicheleinheiten. Die beiden Forstwirtinnen der Berliner Forsten besitzen eine Zusatzqualifikation zur Gespannführerin und bilden mit den beiden sogenannte Rückepferden inzwischen ein eingespieltes Team. „Wir sind eher zufällig dazugekommen“, erklären sie, denen ihr Job sichtlich viel Freude bereitet. Seit 2021 sind die mit den jeweils rund 800 Kilo schweren Vierbeinern im Grunewald dabei, die einst vierjährig aus Bayern nach Berlin kamen. Eingearbeitet in ihren neuen Job als Rückepferde wurden die jungen, ursprünglich zum Gespannpferd ausgebildeten Wallache von ihren Vorgängern Volker und Pünktchen, die daraufhin 24- und 17-jährig in den wohlverdienten Ruhestand entlassen werden konnten. – Den genießen ehemalige Rückepferde meist bei kleinen landwirtschaftlichen Betrieben oder Privatleuten, die sie altersgerecht beschäftigen. „Denn wie ein abtrainiertes Zirkuspferd, müssen auch ehemalige Rückepferde für ihr Wohlbefinden eine kleine Aufgabe haben und dürfen nicht einfach beiseite gestellt werden“, weiß Revierförster Felix Haas von der Revierförsterei Dreilinden.

Einsatzort Mauerweg

Revierförster Haas ist es auch, der an diesem Morgen gemeinsam mit Peter Harbauer, Leiter für Information & Öffentlichkeitsarbeit Berliner Forsten, und der Schulpraktikantin Julia dann das Rücketeam an seinen Einsatzort am geschichtsträchtigen Mauerweg Dreilinden begleitet. Auch hier gilt es, bestmögliche Verkehrssicherung zu gewähren, denn der Besucherverkehr an diesem inzwischen so beliebten Freizeitweg zwischen Autobahn und Hundeauslaufgebiet ist groß: Spuren der amerikanischen Alliierten auf der einen und die der DDR-Geschichte auf der anderen Seite des einstigen Grenzweges finden sich noch an vielen Stellen: Hier erinnern Reste des alten Gartenlokals an sorglose Stunden, dort in Bäume eingewachsenen Stacheldrahtreste an Freiheitsentzug und Kalten Krieg.

Mit dabei an diesem Arbeitstag auch Harbauers lernfreudiger 1 1/2-jähriger Rüde Jubi, ein Kooikerhondje. Diese alte bewegungsfreudige Hunderasse stammt aus den Niederlanden, wo sie ursprünglich für die Entenjagd und das trickreiche Locken der Enten in die Vogelkojen gezüchtet wurde. Hier im Wald trabt Jubi gesittet an der Leine neben seinem Herrn her und ist damit ein Vorbild für viele Hunde von Waldbesuchern: Lassen die doch nur zu gerne ihre vierbeinigen Gefährten auch außerhalb der Hundefreilaufgebiete ohne Leine tollen, was für die Rückepferde bei der Arbeit ebenso gefährlich werden kann wie das schnelle und dichte Vorbeifahren unbedachter Biker. – Rücksicht ist auch im Wald oberstes Gebot.

Rücken mit PS

Nach dem Abladen längs des Mauerweges und einer willkommenen Bestechung mit Apfel und Möhre geht es für Bubi und Pauli an die Arbeit: Ca. fünf Meter lange Baumstämme mit einem Durchmesser von etwa 40 Zentimetern gilt es aus dem empfindlichen und schwer zugänglichen Waldgelände heraus bis zur Holzpollerlagerung am Weg zu ziehen. Durchschnittlich etwa 20 Festmeter Holz holen die zwei Pferde während ihres fünf bis sechs Stunden langen Arbeitstages zwischen 9 und 14 Uhr mit eigener Körperkraft aus dem Wald, sind sie doch in der Lage, als Doppelgespann bis zu 800 Kilogramm schwere Holzlasten zu ziehen. Die Befehle ihrer Gespannführerinnen sind von Generationen überliefert: „ Komm“ und „Steh“ bedürfen keiner Erklärung, „Wiest“ als Rückebefehl bedeutet links, „Hot“ rechts.

Pausen zwischen den Rückeaufgaben sind selbstverständlich: Dunkelfuchs Pauli mit der breiten Blesse knabbert verspielt an einem Zweig, Stillstehen ist nichts für den neugierigen Wallach. Bubi mit dem hellen Langhaar dagegen ist die Ruhe selbst, eher ein Cheftyp, der sich nur zu gerne bitten lässt. „Beide zeichnen sich durch große Nervenstärke, Gemütlichkeit und gute Gesundheit aus“, sind sich die Forstleute einig. Fällt einmal ein Rückepferd aus, bleibt sein Partner auch im Stall. „Vertretungspferde“ werden bei den zwei so ganz aufeinander eingespielten Pferdekollegen nicht eingesetzt. – Auch wenn es in den Berliner Forsten weitere vier Rückepferde an weiteren zwei Standorten gibt: Das Gespann in der Revierförsterei Grünau (Forstamt Köpenick) besteht aus dem Rheinisch-Deutschen Kaltblut Henry, der in Süddeutschland eine Spezialausbildung erhielt, und dem 14-jährigen Feger. Und in der Revierförsterei Spandau (Forstamt Tegel) gehen die beiden süddeutschen Kaltblutpferde Ivan und Gasso bald in Ruhestand und machen der nächsten Generation Rückepferde Platz. Alle Gespanne haben aktuell „Sommerferien“: In der heißen Jahreszeit dürfen die Pferde ihre Sommerweide genießen.

Tradition mit Zukunft

Seit 1984 tragen Arbeitspferde zur naturgemäßen, schonenden Pflege und Entwicklung des Berliner Erholungswaldes bei. – Als bodenschonende und geländegängige Ergänzung zur modernen Technik bringen sie Kurzholz bis zur Rückegasse, eignet sich der in Berlin eingeführte Rückegasseabstand von 40 Metern doch ausgesprochen gut für diese Pferdearbeit. Lang- und Starkholz dagegen ist nicht geeignet, von Pferden geborgen zu werden, ebenso wenig sind größere Entfernungen für das Pferderücken geeignet. Früher wurden zusätzlich Seilwinden eingesetzt, und mehrere Pferde rückten gemeinsam die schweren Stämme.

Der Einsatzbereich der Tiere, der in der FSC (Forest Stewardship Council)- und Naturland-zertifizierten und ökologischen Waldbewirtschaftung der Berliner Forsten eine wichtige Rolle spielt, ist auch in Hinsicht auf das Tierwohl klar eingegrenzt. Zukünftig dürfte der Einsatz der Vierbeiner aber noch an Bedeutung zunehmen, sollen die Berliner Wälder zukünftig doch weitgehend sich selbst überlassen werden und der bisher in den Wintermonaten übliche Holzeinschlag mit den großen Maschinen nur noch ausnahmsweise stattfinden. Laubbäume sollen nur noch gefällt werden, wenn sie die Verkehrssicherheit gefährden, auch dabei sind dann wieder Bubi, Pauli & Co als zuverlässiges „Rückekommando“ gefragt. Ihr Aufgabenbereich erstreckt sich darüber hinaus auf die Beseitigung der invasiven spätblühenden Traubenkirsche zur Förderung der Naturverjüngung, auf die Freilegung des Mineralbodens sowie auf die Vorbereitung von Pflanzungen.

So tragen Bubi und Pauli gemeinsam mit den Forstleuten dazu bei, dass der nachhaltig gepflegte Berliner Wald mit fast 30.000 Hektar seinen erholungssuchenden und naturliebenden Besuchern mit u. a. 1.840 Waldwegen, 26 Liege- und Spielwiesen, 14 Waldspielplätzen, 12 Hundeauslaufgebieten und ca. 650 Bänken ganzjährig rund um die Uhr geöffnet zur Verfügung steht.

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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