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Studienaussteiger willkommen

Lette Verein Berlin bietet Perspektiven

Maryam Stibenz, stellv. Schulleiterin, und Norbert Forstmann, Schulleiter am Lette Verein Berlin. Foto: Jacqueline Lorenz
Maryam Stibenz, stellv. Schulleiterin, und Norbert Forstmann, Schulleiter am Lette Verein Berlin. Foto: Jacqueline Lorenz
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau August 2024
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Im Jahr 1866 von Wilhelm Adolf Lette als „Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts“ gegründet, steht er heute längst als Stiftung des öffentlichen Rechts allen Menschen jeglichen Geschlechts offen. Als namhaftes Berufsausbildungszentrum für Berufe, die jungen Menschen eine solide, sinnerfüllte Lebensbasis ermöglichen, ist die idyllisch am Viktoria-Luise-Platz in Schöneberg gelegene Lehreinrichtung mit ihren insgesamt sieben Schulen wichtiger Bestandteil der Berliner Bildungslandschaft. – Zumal sie sich auch denjenigen widmet, die schlechthin als „Studienabbrecher“ abgestempelt auf ihrem weiteren Weg nicht selten Vorurteile und Hürden zu überwinden haben.

Ihnen zuzuhören und sinnvolle Perspektiven zu bieten, ist Ziel der Beratung der stellvertretenden Schulleiterin Maryam Stibenz, welche sie im Lette Verein Berlin mit ihrem Team anbietet. Dahinter steht der stellvertretende Stiftungsdirektor und Leiter der sieben Schulen, Norbert Forstmann.

Sieben auf einen Streich

Erfahrungen, die Studierende gemacht haben, kann man ihnen nicht nehmen. Diese bestmöglich zu nutzen und in einen weiteren Ausbildungsweg einfließen zu lassen, macht Sinn. Die Gruppe der Studienaussteiger ist groß: In Deutschland beenden nach der aus dem Jahr 2014 stammenden, für Präsenzhochschulen geltenden Studie etwa 28 Prozent der deutschen Studierenden ihr Bachelorstudium ohne Abschluss. Die Abbruchquote an Universitäten liegt bei 33 Prozent, an Fachhochschulen bei 23 Prozent. 

Dazu kommen Neuzugewanderte mit Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienerfahrung, denen die Lette-Stiftung ebenso neue Chancen aufzeigen kann. Immerhin bietet sie in ihrer Einrichtung unter einem Dach sieben Schulen, die unterschiedlichste Interessen und Berufsbilder ansprechen: Dazu zählen die Berufsfachschule für Design, die Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung mit der Fachschule für Ernährungs- und Versorgungsmanagement; im Gesundheitswesen die Schulen MTA-Labor und -Radiologie sowie PTA. Außerdem gehört die Technische Berufsfachschule zu den sieben Schulen. Zehn verschiedene Ausbildungen in den Bereichen Design, Gesundheit und Technik sowie viele Möglichkeiten im neuen Do-it-Yourself / DIY-College mit den Themen Ernährung, Versorgung sowie Nachhaltigkeit sind im Angebot. Und in einzelnen Ausbildungsgängen kann sogar die Fachhochschulreife erlangt werden. Um das Schulgeld so niedrig, wie möglich zu halten und für jeden bezahlbar zu machen, bekommt der Lette Verein vom Land Berlin einen Zuschuss aus Steuergeldern.

Deutschland, bildungspolitisches Entwicklungsland?

Auch wenn Universitäten und Gymnasien eher zögerlich auf Alternativen zum Studium aufmerksam machen: es gibt sie, und sie sind für manchen geeigneter als ein unpersönlich angelegter Studiengang. Dies zu vermitteln, dazu dienen Kooperationen des Lette Vereins mit Schulen und gymnasialen Oberstufen. „Uns geht es darum, jungen Menschen eine Perspektive und Orientierung zu geben“, erklärt Schulleiter Norbert Forstmann. – Und das mit der Unterstützung von Lehrkräften, die Stärken und Schwächen ihrer Schüler kennen, sie fördern und anders als an Universitäten persönlich betreuen können, da Theorie und Praxis der Ausbildung unter einem Dach stattfinden. In einer Zeit, in der Abi für Alle selbstverständlich geworden ist, werden andere Ausbildungsformen leicht als minderwertig betitelt. Auf den Punkt bringt es Schulleiter Forstmann: „Heute muss man ja Experte in der Bildungslandschaft sein, um zu verstehen, welche Ausbildungsmöglichkeiten und Wege sich jungen Menschen nach der Schule bieten.“ Den passenden Weg zur für einen Schüler geeigneten Ausbildung schon während der Schulzeit einzuschlagen, überfordert häufig auch die Eltern. Sie wollen das Beste für ihre Kinder, wissen aber nicht wie und sehen meist keine andere Perspektive für sie als ein Studium, verstehen eine „normale“ Ausbildung als unterqualifizierend. Objektive Informationsangebote für Eltern und Schüler sind rar und lassen Deutschland als bildungspolitisches Entwicklungsland dastehen, das seinen (selbstverursachten) Fachkräftemangel bejammert und Sozialkompetenz draußen vor der Tür lässt. Wenn ein Studium dann nicht den Vorstellungen des Lernenden entspricht, ihn gar überfordert, bleibt nur der Studienabbruch. Nicht jedes System passt eben für jeden. Zurück bleiben studienerfahrene junge Menschen, die es als „Studienabbrecher“ in der Gesellschaft erst einmal schwer haben und nicht selten orientierungslos nach beruflichen Perspektiven suchen.

Studienaussteiger sind Studienerfahrene

Das falsche Bild vom „Studienabbrecher“ hin zum „Studienaussteiger oder Studienerfahrenen“ geradezurücken und ihm aussichtsreiche und individuell passende Perspektiven und Möglichkeiten zu vermitteln sowie ihn in seiner Entscheidung zu begleiten, hat sich der Lette Verein mit seinem Beratungs- und Ausbildungsangebot zur wichtigen Aufgabe gemacht. Dabei kommen Maryam Stibenz und ihr Team auf individuelle Gründe eines Studienabbruchs im Gespräch mit Studienaussteigern ebenso zu sprechen wie auf die Form des Lernens. „Nicht für jeden ist selbstorganisiertes Lernen, wie ein Studium es verlangt, geeignet“, weiß sie. Und Norbert Forstmann findet anerkennende Worte für junge Menschen, die den Mut aufbringen, aus ihrem Studium auszusteigen: „Studienabbruch bedeutet, persönliche Verantwortung für seine eigene Bildungsbiographie selbst zu übernehmen.“ Dabei denkt er auch an die gängige, wenig empfehlenswerte Ausbildungspraxis: „Es geht heute leider meist darum, junge Menschen so schnell wie möglich in den Wirtschaftsbereich zu bringen. Mit 25 hat mancher dann seinen ersten Burnout.“ Er plädiert deshalb dafür, „Mut zu haben, sich auszuprobieren“. Denn seine Wünsche muss man nicht aufgeben, kann ihre Erfüllung auch auf einem anderen Weg finden. „Wege sind vielfältig und eine Herausforderung“, betont dazu Maryam Stibenz.

Very welcome im Lette

Sich unter der Ausbildungsobhut des Lette Verein in Gemeinschaft ganz nach seinen jeweiligen Stärken und Schwächen entwickeln zu können, dabei Theorie und Praxis in gesundem Gleichgewicht zu erfahren und in strukturiertem Umfeld mit dem Klassenverband seine Kräfte zielgerichtet einzusetzen, darin unterstützen und begleiten Leitung und Lehrkräfte ihre Schüler – mit viel Liebe und Verständnis für junge Menschen und ihre Individualität. Und mit dem Ziel, motivierte Menschen nach der Ausbildung in eine Gesellschaft zu entlassen, die ihrer dringend bedarf.

„Denn je mehr frustrierte Menschen in der Gesellschaft sind, desto kaputter ist sie“, gibt Norbert Forstmann zu bedenken.

Weitere Informationen mit Podcast „Letts Talk“ und Näheres zu den Beratungen für Studienaussteiger und Studienerfahrene unter www.letteverein.berlin/2023/07/15/nach-dem-studienabbruch-bei-uns-very-welcome/

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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