Zehlendorf
U3-Ausbau zum Mexikoplatz ein Gewinn?
Bürgerinitiative hat starke Bedenken
13.12.2024: Der S-Bahnhof Mexikoplatz in Zehlendorf zählt mit seinem Rundbau, der drei Bahnhofskörper unter wellenförmiger Dachkonstruktion harmonisch verbindet, zweifelsfrei zu einem der sehenswerten Kleinode in der Berliner Bahnhofsszene des Berliner Südwestens. Gemeinsam mit dem Mexikoplatz ist er viel mehr als ein unpersönliches bloßes Nutzungsgebäude und steht zu Recht unter Denkmalschutz. Doch um dieses besondere Flair fürchtet die Bürgerinitiative „Rettet den Mexikoplatz“, die sich mit ihrer Petition gegen den von der BVG geplanten rund 700 Meter umfassenden U3-Ausbau von der U-Bahnstation Krumme Lanke zum Mexikoplatz richtet. Zu Redaktionsschluss zählte diese bereits mehr als 1.000 Unterschriften. Aktuell bildet ein Bus den Anschluss zwischen U-Bahnstation Krumme Lanke und S-Bahnstation Mexikoplatz.
Bahnhof mit Stil und Geschichte
Ende 1904 war der im Jugendstil von den Architekten Gustav Hart und Alfred Lesser erbaute Bahnhof noch unter dem Namen „Zehlendorf-Beerenstraße“ dem Bahnverkehr übergeben worden. 1911 dann wurde er umbenannt in die Station „Zehlendorf-West“ der Wannseebahnschleife. Schaut man heute zur alten Brücke auf, glaubt man darunter Hufgetrappel und Pferdefuhrwerke längst vergangener Tage auf der Lindenthaler Allee zu hören, deren Namen der Bahnhof 1950 erhielt. Nach dem Eisenbahnerstreik 1980 fiel der eher schon verträumte S-Bahnhof in einen erzwungenen Dornröschenschlaf, aus dem er fünf Jahre später erweckt wurde. Bereits zwei Jahre später erhielt er seinen heutigen Namen „Mexicoplatz“ wenngleich damals noch das „c“ das heutige „k“ vertreten musste. Mit Kritik musste der Bahnhof schon einmal leben: Als er im Jahr 2002 für rund 2,6 Millionen DM an zwei Geschäftsleute verkauft wurde, war es die Bürgerinitiative Kulturbahnhof, welche die 25 jährige Tradition dieses kulturellen Treffpunkts damit als beendet sah und den Lesungen und Diskussionsforen unter gläserner Oberlichtkuppel schmerzlich nachtrauerte. Doch unter der Sanierung des Bahnhofs, an der maßgeblich der Kaufmann Thomas Drechsel beteiligt war, erstand Dank liebevoller kleiner Geschäfte und des mit gepflegten Straßenschildern, Litfaßsäule und Feuermelder als erholsame Grünoase angelegten Platzes dann doch ein reizvolles Ensemble, das viele auch außerhalb des Bezirks ansässige Bürger anzieht, besonders an den Markttagen und legendären Weihnachtsmärkten. – Weiß sich deren ausgesuchtes Angebot doch bestens dem historischen Stadtbild anzufügen. Dass dies nach dem ab 2025 geplanten Ausbau der U-Bahnlinie U3 nur noch schöne Erinnerung sein könnte, fürchtet nicht nur die Bürgerinitiative zur Rettung des Mexikoplatzes.
Sinn oder Wahnsinn?
Zum aktiven Kern der Bürgerinitiative zählen die Architekten Antje Limper-Huber,Thomas Herr und der Jurist und Journalist Hubertus Primus, ehemaliger Alleinvorstand der Stiftung Warentest. Nach intensiver Recherche und mit fundiertem Fachwissen widerlegen sie die Ausbau-Pläne der BVG, die in keinem Verhältnis zu Kosten und Nutzen stehen. Bereits jetzt betragen die angesetzten Umbaukosten anstatt der zuerst veranschlagten 40 Millionen Euro 206 Millionen, so die BI. Die BVG spricht dagegen von „nur“ 103 Millionen Euro, wobei die Betriebs- und Baukosten laut BI untertrieben angegeben sein dürften. Lohnt sich das Ganze überhaupt? Viele Befragte zweifeln das an, wie auch das Ergebnis der Petition zeigt. So spricht die BVG von rund 12.000 Fahrgästen, denen der Umbau zugute kommen würde, die BI sieht das deutlich nüchterner: Entgegen dem aktuell zwischen Krumme Lanke und Mexikoplatz verkehrenden Bus bedeute eine zusätzliche U-Bahnstation keinerlei Zeitersparnis, da die errechnete Fahrzeitverkürzung von nur etwa einer Minute durch die durch fehlende Integration der Bahnhofsanlagen umständliche Umsteigesituation von der U-Bahn Mexikoplatz zur S-Bahn Mexikoplatz zunichte gemacht würde. „Das Umsteigen erfordert dann längere Fuß-Wegstrecken für Fahrgäste. Die S-Bahnstrecke verläuft als Hochbahn (Ebene +1), während die U-Bahn (Ebene -1) erst nach vollständigem Verlassen ins Freie erreichbar ist“, erklärt Hubertus Primus. Rund 12.000 davon profitierende Fahrgäste täglich führt die BVG auf der neuen Strecke an, während die BI konkretisiert: Das bedeute nur 1.300 zusätzlich gewonnene Fahrgäste pro Tag, also rund 6 zusätzliche Fahrgäste pro Zug. Denn nach den Berechnungen erfolgt zu 90 Prozent nur eine Verlagerung der Fahrgäste vom Bus auf die U-Bahn ohne relevanten Gewinn an Fahrzeit. Das Fazit der BI daraus: Der Bedarf für ein U-Bahn-Megaprojekt ist nicht gegeben.
Fluch oder Segen?
Die aktuelle Planung sehe außerdem eine Verdoppelung der Baumasse vor, kritisiert Architekt Dr. Thomas Herr, der den zusätzlich unterirdisch vorgesehenen Betriebsbahnhof an diesem Ort für unnötig hält. So führe der unterirdische U-Bahnbau durch denkmalgeschützte Wohngegend, etwa 176 Straßenbäume sollen im Vorfeld gefällt werden. Allein die Auswirkungen auf die an der Lindenthaler Allee gelegenen rund 100 Grundstücke und Villen seien kaum vorhersehbar. So sind Schallschutzscheiben in denkmalgeschütztem Bau nicht einsetzbar. Die Auswirkung des weit über das Zumutbare zu erwartenden Lärms und der Bau-Erschütterungen auf Mensch und Natur könne man nur erahnen, zumal die von der BVG auf fünf Jahre angesetzte Bauzeit kaum einzuhalten sein dürfte, wie Erfahrungen zeigen. Und schon heute ist im direkten Anschluss an den U-Bahnbau die Komplettsanierung der alten S-Bahn-Brücke im Fokus, mit neuem Lärm und Behinderungen für die Anwohner. Nahezu ungewiss sind auch die Auswirkungen auf das Grundwasser und der Ablauf des Bauwassers in Richtung Schlachtensee, das zuvor eine Kleinklärlage durchlaufen müsste. Die Bürgerinitiative spricht in dieser laufenden Projekt-Erörterungsphase der für sie sinnlosen Planung dieses U-Bahn-Lückenschlusses gar von einem „Prestige-Objekt des Senats“ und fordert eine deutlichere Gefahrenabschätzung für das Bauvorhaben. Sie erklärt: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen Verkehrsplanung und Ausbau, aber dieser U-Bahnausbau ist so nicht mehr zeitgemäß.“ Mit ihrer Meinung sind sie von Richtung Mexikoplatz her nicht alleine, auch rund um den U-Bahnhof Krumme Lanke wird Kritik am Ausbau und den damit verbundenen Beeinträchtigungen laut. Optiker Christian Zech von der KLIG (Krumme Lanke Interessengemeinschaft) fasst zusammen: „Da heißt es alle zwei Jahre, die U-Bahn rechne sich nur bis zur Station Freie Universität Berlin an der Thielallee, und dann das… Es wäre doch da deutlich sinnvoller und realistischer, anstelle des Ausbaus E-Rundbusse einzusetzen, die regelmäßiger als der aktuelle Bus zwischen Krumme Lanke und Mexikoplatz verkehren, eventuell sogar bis Kleinmachnow. Der bestehende U-Bahn-Ausbauplan ist für mich ein Schildbürgerstreich bzw. ein eitles Projekt der BVG.“
Die BVG setzt indessen auf Transparenz und lädt zu Informationsveranstaltungen zum Ausbau-Projekt. Nächster Termin ist der 21. Januar 2025 von 14.30 – 16.30 Uhr und von 17.15 – 19.15 Uhr in der Emmaus-Kirchengemeinde in der Onkel-Tom-Straße 80 in Zehlendorf. Die Anzahl der Teilnehmenden pro Termin ist jedoch begrenzt. Daher ist die Teilnahme an einem der genannten Termine nur mit einer vorherigen Anmeldung über calendly.com/bvg-projekt/verlaengerung-u3?month=2024-12 möglich.
Weitere Projekt-Information unter bvg-projekt.de/projekte/verlaengerung-u-bahnlinie-u3-nachhaltigkeits-pilotprojekt-berlin-steglitz-zehlendorf.
Informationen von der BI und zur Petition unter www.rettet-den-mexikoplatz.de
Jacqueline Lorenz